Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Ein Schauspiel. Von ihr den Sohn zurück, und sie entleibtSich selbst -- Thoas. Du schweigest? Fahre fort zu reden! Laß dein Vertrau'n dich nicht gereuen! Sprich! Iphigenie. Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, Der froh von ihren Thaten, ihrer Größe, Den Hörer unterhält und still sich freuend An's Ende dieser schönen Reihe sich Geschlossen sieht! Denn es erzeugt nicht gleich Ein Haus den Halbgott noch das Ungeheuer; Erst eine Reihe Böser oder Guter Bringt endlich das Entsetzen, bringt die Freude Der Welt hervor. -- Nach ihres Vaters Tode Gebiethen Atreus und Thyest der Stadt, Gemeinsam-herrschend. Lange konnte nicht Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyest Des Bruders Bette. Rächend treibet Atreus Ihn aus dem Reiche. Tückisch hatte schon Thyest, auf schwere Thaten sinnend, lange Dem Bruder einen Sohn entwandt und heimlich Ein Schauſpiel. Von ihr den Sohn zurück, und ſie entleibtSich ſelbſt — Thoas. Du ſchweigeſt? Fahre fort zu reden! Laß dein Vertrau’n dich nicht gereuen! Sprich! Iphigenie. Wohl dem, der ſeiner Väter gern gedenkt, Der froh von ihren Thaten, ihrer Größe, Den Hörer unterhält und ſtill ſich freuend An’s Ende dieſer ſchönen Reihe ſich Geſchloſſen ſieht! Denn es erzeugt nicht gleich Ein Haus den Halbgott noch das Ungeheuer; Erſt eine Reihe Böſer oder Guter Bringt endlich das Entſetzen, bringt die Freude Der Welt hervor. — Nach ihres Vaters Tode Gebiethen Atreus und Thyeſt der Stadt, Gemeinſam-herrſchend. Lange konnte nicht Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyeſt Des Bruders Bette. Rächend treibet Atreus Ihn aus dem Reiche. Tückiſch hatte ſchon Thyeſt, auf ſchwere Thaten ſinnend, lange Dem Bruder einen Sohn entwandt und heimlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#IPH"> <p><pb facs="#f0032" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel.</hi></fw><lb/> Von ihr den Sohn zurück, und ſie entleibt<lb/> Sich ſelbſt —</p> </sp><lb/> <sp who="#THO"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Thoas.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Du ſchweigeſt? Fahre fort zu reden!</hi><lb/> Laß dein Vertrau’n dich nicht gereuen! Sprich!</p> </sp><lb/> <sp who="#IPH"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Iphigenie.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Wohl dem, der ſeiner Väter gern gedenkt,<lb/> Der froh von ihren Thaten, ihrer Größe,<lb/> Den Hörer unterhält und ſtill ſich freuend<lb/> An’s Ende dieſer ſchönen Reihe ſich<lb/> Geſchloſſen ſieht! Denn es erzeugt nicht gleich<lb/> Ein Haus den Halbgott noch das Ungeheuer;<lb/> Erſt eine Reihe Böſer oder Guter<lb/> Bringt endlich das Entſetzen, bringt die Freude<lb/> Der Welt hervor. — Nach ihres Vaters Tode<lb/> Gebiethen Atreus und Thyeſt der Stadt,<lb/> Gemeinſam-herrſchend. Lange konnte nicht<lb/> Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyeſt<lb/> Des Bruders Bette. Rächend treibet Atreus<lb/> Ihn aus dem Reiche. Tückiſch hatte ſchon<lb/> Thyeſt, auf ſchwere Thaten ſinnend, lange<lb/> Dem Bruder einen Sohn entwandt und heimlich<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0032]
Ein Schauſpiel.
Von ihr den Sohn zurück, und ſie entleibt
Sich ſelbſt —
Thoas.
Du ſchweigeſt? Fahre fort zu reden!
Laß dein Vertrau’n dich nicht gereuen! Sprich!
Iphigenie.
Wohl dem, der ſeiner Väter gern gedenkt,
Der froh von ihren Thaten, ihrer Größe,
Den Hörer unterhält und ſtill ſich freuend
An’s Ende dieſer ſchönen Reihe ſich
Geſchloſſen ſieht! Denn es erzeugt nicht gleich
Ein Haus den Halbgott noch das Ungeheuer;
Erſt eine Reihe Böſer oder Guter
Bringt endlich das Entſetzen, bringt die Freude
Der Welt hervor. — Nach ihres Vaters Tode
Gebiethen Atreus und Thyeſt der Stadt,
Gemeinſam-herrſchend. Lange konnte nicht
Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyeſt
Des Bruders Bette. Rächend treibet Atreus
Ihn aus dem Reiche. Tückiſch hatte ſchon
Thyeſt, auf ſchwere Thaten ſinnend, lange
Dem Bruder einen Sohn entwandt und heimlich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/32 |
Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/32>, abgerufen am 07.07.2024. |