Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Ein Schauspiel. Zu biethen, triebest du mich vor der ZeitAus deinem Reiche; stießest mich vielleicht, Eh' zu den Meinen frohe Rückkehr mir Und meiner Wandrung Ende zugedacht ist, Dem Elend zu, das jeden Schweifenden, Von seinem Haus' Vertriebnen überall Mit kalter fremder Schreckenshand erwartet. Thoas. Was auch der Rath der Götter mit dir sey, Und was sie deinem Haus' und dir gedenken; So fehlt es doch, seitdem du bey uns wohnst Und eines frommen Gastes Recht genießest, An Segen nicht, der mir von oben kommt. Ich möchte schwer zu überreden seyn, Daß ich an dir ein schuldvoll Haupt beschütze. Iphigenie. Dir bringt die Wohlthat Segen, nicht der Gast. Thoas. Was man Verruchten thut, wird nicht gesegnet. Drum endige dein Schweigen und dein Wei- gern; B 2
Ein Schauſpiel. Zu biethen, triebeſt du mich vor der ZeitAus deinem Reiche; ſtießeſt mich vielleicht, Eh’ zu den Meinen frohe Rückkehr mir Und meiner Wandrung Ende zugedacht iſt, Dem Elend zu, das jeden Schweifenden, Von ſeinem Hauſ’ Vertriebnen überall Mit kalter fremder Schreckenshand erwartet. Thoas. Was auch der Rath der Götter mit dir ſey, Und was ſie deinem Hauſ’ und dir gedenken; So fehlt es doch, ſeitdem du bey uns wohnſt Und eines frommen Gaſtes Recht genießeſt, An Segen nicht, der mir von oben kommt. Ich möchte ſchwer zu überreden ſeyn, Daß ich an dir ein ſchuldvoll Haupt beſchütze. Iphigenie. Dir bringt die Wohlthat Segen, nicht der Gaſt. Thoas. Was man Verruchten thut, wird nicht geſegnet. Drum endige dein Schweigen und dein Wei- gern; B 2
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Ein Schauſpiel.
Zu biethen, triebeſt du mich vor der Zeit
Aus deinem Reiche; ſtießeſt mich vielleicht,
Eh’ zu den Meinen frohe Rückkehr mir
Und meiner Wandrung Ende zugedacht iſt,
Dem Elend zu, das jeden Schweifenden,
Von ſeinem Hauſ’ Vertriebnen überall
Mit kalter fremder Schreckenshand erwartet.
Thoas.
Was auch der Rath der Götter mit dir ſey,
Und was ſie deinem Hauſ’ und dir gedenken;
So fehlt es doch, ſeitdem du bey uns wohnſt
Und eines frommen Gaſtes Recht genießeſt,
An Segen nicht, der mir von oben kommt.
Ich möchte ſchwer zu überreden ſeyn,
Daß ich an dir ein ſchuldvoll Haupt beſchütze.
Iphigenie.
Dir bringt die Wohlthat Segen, nicht der Gaſt.
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Was man Verruchten thut, wird nicht geſegnet.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/28>, abgerufen am 16.02.2025. |