Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Iphigenie auf Tauris Iphigenie. Du ängstest mich mit jedem guten Worte; Oft wich ich seinem Antrag mühsam aus. Arkas. Bedenke was du thust und was dir nützt. Seitdem der König seinen Sohn verloren, Vertraut er wenigen der Seinen mehr, Und diesen Wenigen nicht mehr wie sonst. Mißgünstig sieht er jedes Edeln Sohn Als seines Reiches Folger an; er fürchtet Ein einsam hülflos Alter, ja vielleicht Verwegnen Aufstand und frühzeit'gen Tod. Der Scythe setzt in's Reden keinen Vorzug, Am wenigsten der König. Er, der nur Gewohnt ist zu befehlen und zu thun, Kennt nicht die Kunst, von weitem ein Ge- spräch Nach seiner Absicht langsam fein zu lenken. Erschwer's ihm nicht durch ein rückhaltend Wei- gern, Durch ein vorsetzlich Mißverstehen. Geh Gefällig ihm den halben Weg entgegen. Iphigenie auf Tauris Iphigenie. Du ängſteſt mich mit jedem guten Worte; Oft wich ich ſeinem Antrag mühſam aus. Arkas. Bedenke was du thuſt und was dir nützt. Seitdem der König ſeinen Sohn verloren, Vertraut er wenigen der Seinen mehr, Und dieſen Wenigen nicht mehr wie ſonſt. Mißgünſtig ſieht er jedes Edeln Sohn Als ſeines Reiches Folger an; er fürchtet Ein einſam hülflos Alter, ja vielleicht Verwegnen Aufſtand und frühzeit’gen Tod. Der Scythe ſetzt in’s Reden keinen Vorzug, Am wenigſten der König. Er, der nur Gewohnt iſt zu befehlen und zu thun, Kennt nicht die Kunſt, von weitem ein Ge- ſpräch Nach ſeiner Abſicht langſam fein zu lenken. Erſchwer’s ihm nicht durch ein rückhaltend Wei- gern, Durch ein vorſetzlich Mißverſtehen. Geh Gefällig ihm den halben Weg entgegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0021" n="12"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Iphigenie auf Tauris</hi> </fw><lb/> <sp who="#IPH"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Iphigenie</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Du ängſteſt mich mit jedem guten Worte;<lb/> Oft wich ich ſeinem Antrag mühſam aus.</p> </sp><lb/> <sp who="#ARK"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Arkas</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Bedenke was du thuſt und was dir nützt.<lb/> Seitdem der König ſeinen Sohn verloren,<lb/> Vertraut er wenigen der Seinen mehr,<lb/> Und dieſen Wenigen nicht mehr wie ſonſt.<lb/> Mißgünſtig ſieht er jedes Edeln Sohn<lb/> Als ſeines Reiches Folger an; er fürchtet<lb/> Ein einſam hülflos Alter, ja vielleicht<lb/> Verwegnen Aufſtand und frühzeit’gen Tod.<lb/> Der Scythe ſetzt in’s Reden keinen Vorzug,<lb/> Am wenigſten der König. Er, der nur<lb/> Gewohnt iſt zu befehlen und zu thun,<lb/> Kennt nicht die Kunſt, von weitem ein Ge-<lb/> ſpräch<lb/> Nach ſeiner Abſicht langſam fein zu lenken.<lb/> Erſchwer’s ihm nicht durch ein rückhaltend Wei-<lb/> gern,<lb/> Durch ein vorſetzlich Mißverſtehen. Geh<lb/> Gefällig ihm den halben Weg entgegen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0021]
Iphigenie auf Tauris
Iphigenie.
Du ängſteſt mich mit jedem guten Worte;
Oft wich ich ſeinem Antrag mühſam aus.
Arkas.
Bedenke was du thuſt und was dir nützt.
Seitdem der König ſeinen Sohn verloren,
Vertraut er wenigen der Seinen mehr,
Und dieſen Wenigen nicht mehr wie ſonſt.
Mißgünſtig ſieht er jedes Edeln Sohn
Als ſeines Reiches Folger an; er fürchtet
Ein einſam hülflos Alter, ja vielleicht
Verwegnen Aufſtand und frühzeit’gen Tod.
Der Scythe ſetzt in’s Reden keinen Vorzug,
Am wenigſten der König. Er, der nur
Gewohnt iſt zu befehlen und zu thun,
Kennt nicht die Kunſt, von weitem ein Ge-
ſpräch
Nach ſeiner Abſicht langſam fein zu lenken.
Erſchwer’s ihm nicht durch ein rückhaltend Wei-
gern,
Durch ein vorſetzlich Mißverſtehen. Geh
Gefällig ihm den halben Weg entgegen.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/21>, abgerufen am 07.07.2024. |