Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Iphigenie auf Tauris Iphigenie. Das ist's, warum mein blutend Herz nicht heilt. In erster Jugend, da sich kaum die Seele An Vater, Mutter und Geschwister band; Die neuen Schößlinge, gesellt und lieblich, Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts Zu dringen strebten; leider faßte da Ein fremder Fluch mich an und trennte mich Von den Geliebten, riß das schöne Band Mit ehrner Faust entzwey. Sie war dahin, Der Jugend beste Freude, das Gedeihn Der ersten Jahre. Selbst gerettet, war Ich nur ein Schatten mir, und frische Lust Des Lebens blüht in mir nicht wieder auf. Arkas. Wenn du dich so unglücklich nennen willst; So darf ich dich auch wohl undankbar nennen. Iphigenie. Dank habt ihr stets. Arkas. Doch nicht den reinen Dank, Um dessentwillen man die Wohlthat thut; Iphigenie auf Tauris Iphigenie. Das iſt’s, warum mein blutend Herz nicht heilt. In erſter Jugend, da ſich kaum die Seele An Vater, Mutter und Geſchwiſter band; Die neuen Schößlinge, geſellt und lieblich, Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts Zu dringen ſtrebten; leider faßte da Ein fremder Fluch mich an und trennte mich Von den Geliebten, riß das ſchöne Band Mit ehrner Fauſt entzwey. Sie war dahin, Der Jugend beſte Freude, das Gedeihn Der erſten Jahre. Selbſt gerettet, war Ich nur ein Schatten mir, und friſche Luſt Des Lebens blüht in mir nicht wieder auf. Arkas. Wenn du dich ſo unglücklich nennen willſt; So darf ich dich auch wohl undankbar nennen. Iphigenie. Dank habt ihr ſtets. Arkas. Doch nicht den reinen Dank, Um deſſentwillen man die Wohlthat thut; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0017" n="8"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Iphigenie auf Tauris</hi> </fw><lb/> <sp who="#IPH"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Iphigenie</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Das iſt’s, warum mein blutend Herz nicht heilt.<lb/> In erſter Jugend, da ſich kaum die Seele<lb/> An Vater, Mutter und Geſchwiſter band;<lb/> Die neuen Schößlinge, geſellt und lieblich,<lb/> Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts<lb/> Zu dringen ſtrebten; leider faßte da<lb/> Ein fremder Fluch mich an und trennte mich<lb/> Von den Geliebten, riß das ſchöne Band<lb/> Mit ehrner Fauſt entzwey. Sie war dahin,<lb/> Der Jugend beſte Freude, das Gedeihn<lb/> Der erſten Jahre. Selbſt gerettet, war<lb/> Ich nur ein Schatten mir, und friſche Luſt<lb/> Des Lebens blüht in mir nicht wieder auf.</p> </sp><lb/> <sp who="#ARK"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Arkas</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn du dich ſo unglücklich nennen willſt;<lb/> So darf ich dich auch wohl undankbar nennen.</p> </sp><lb/> <sp who="#IPH"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Iphigenie</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Dank habt ihr ſtets.</p> </sp><lb/> <sp who="#ARK"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Arkas</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Doch nicht den reinen Dank,</hi><lb/> Um deſſentwillen man die Wohlthat thut;<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0017]
Iphigenie auf Tauris
Iphigenie.
Das iſt’s, warum mein blutend Herz nicht heilt.
In erſter Jugend, da ſich kaum die Seele
An Vater, Mutter und Geſchwiſter band;
Die neuen Schößlinge, geſellt und lieblich,
Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts
Zu dringen ſtrebten; leider faßte da
Ein fremder Fluch mich an und trennte mich
Von den Geliebten, riß das ſchöne Band
Mit ehrner Fauſt entzwey. Sie war dahin,
Der Jugend beſte Freude, das Gedeihn
Der erſten Jahre. Selbſt gerettet, war
Ich nur ein Schatten mir, und friſche Luſt
Des Lebens blüht in mir nicht wieder auf.
Arkas.
Wenn du dich ſo unglücklich nennen willſt;
So darf ich dich auch wohl undankbar nennen.
Iphigenie.
Dank habt ihr ſtets.
Arkas.
Doch nicht den reinen Dank,
Um deſſentwillen man die Wohlthat thut;
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/17>, abgerufen am 07.07.2024. |