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Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

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Iphigenie auf Tauris
Die Schlafenden, Erwachenden ergreift,
Zuletzt gedrängt von den Ermunterten
Auf Feindes Pferden, doch mit Beute kehrt,
Wird der allein gepriesen? der allein,
Der einen sichern Weg verachtend kühn
Gebirg' und Wälder durchzustreifen geht,
Daß er von Räubern eine Gegend säub're?
Ist uns nichts übrig? Muß ein zartes Weib
Sich ihres angebornen Rechts entäußern,
Wild gegen Wilde seyn, wie Amazonen
Das Recht des Schwerts euch rauben und mit
Blute
Die Unterdrückung rächen? Auf und ab
Steigt in der Brust ein kühnes Unternehmen:
Ich werde großem Vorwurf nicht entgehn,
Noch schwerem Übel wenn es mir mißlingt;
Allein Euch leg' ich's auf die Kniee! Wenn
Ihr wahrhaft seyd, wie ihr gepriesen werdet;
So zeigt's durch euern Beystand und verherr-
licht
Durch mich die Wahrheit! -- Ja, vernimm,
o König,
Es wird ein heimlicher Betrug geschmiedet;
Iphigenie auf Tauris
Die Schlafenden, Erwachenden ergreift,
Zuletzt gedrängt von den Ermunterten
Auf Feindes Pferden, doch mit Beute kehrt,
Wird der allein geprieſen? der allein,
Der einen ſichern Weg verachtend kühn
Gebirg’ und Wälder durchzuſtreifen geht,
Daß er von Räubern eine Gegend ſäub’re?
Iſt uns nichts übrig? Muß ein zartes Weib
Sich ihres angebornen Rechts entäußern,
Wild gegen Wilde ſeyn, wie Amazonen
Das Recht des Schwerts euch rauben und mit
Blute
Die Unterdrückung rächen? Auf und ab
Steigt in der Bruſt ein kühnes Unternehmen:
Ich werde großem Vorwurf nicht entgehn,
Noch ſchwerem Übel wenn es mir mißlingt;
Allein Euch leg’ ich’s auf die Kniee! Wenn
Ihr wahrhaft ſeyd, wie ihr geprieſen werdet;
So zeigt’s durch euern Beyſtand und verherr-
licht
Durch mich die Wahrheit! — Ja, vernimm,
o König,
Es wird ein heimlicher Betrug geſchmiedet;
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[118/0127] Iphigenie auf Tauris Die Schlafenden, Erwachenden ergreift, Zuletzt gedrängt von den Ermunterten Auf Feindes Pferden, doch mit Beute kehrt, Wird der allein geprieſen? der allein, Der einen ſichern Weg verachtend kühn Gebirg’ und Wälder durchzuſtreifen geht, Daß er von Räubern eine Gegend ſäub’re? Iſt uns nichts übrig? Muß ein zartes Weib Sich ihres angebornen Rechts entäußern, Wild gegen Wilde ſeyn, wie Amazonen Das Recht des Schwerts euch rauben und mit Blute Die Unterdrückung rächen? Auf und ab Steigt in der Bruſt ein kühnes Unternehmen: Ich werde großem Vorwurf nicht entgehn, Noch ſchwerem Übel wenn es mir mißlingt; Allein Euch leg’ ich’s auf die Kniee! Wenn Ihr wahrhaft ſeyd, wie ihr geprieſen werdet; So zeigt’s durch euern Beyſtand und verherr- licht Durch mich die Wahrheit! — Ja, vernimm, o König, Es wird ein heimlicher Betrug geſchmiedet;

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/127>, abgerufen am 25.11.2024.