Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Schauspiel,
Thoas.
Gehorche deinem Dienste, nicht dem Herrn.
Iphigenie.
Laß ab! beschönige nicht die Gewalt,
Die sich der Schwachheit eines Weibes freut.
Ich bin so frey geboren als ein Mann.
Stünd' Agamemnons Sohn dir gegenüber,
Und du verlangtest was sich nicht gebührt:
So hat auch Er ein Schwert und einen Arm,
Die Rechte seines Busens zu vertheid'gen.
Ich habe nichts als Worte, und es ziemt
Dem edlen Mann, der Frauen Wort zu achten.
Thoas.
Ich acht' es mehr als eines Bruders Schwert.
Iphigenie.
Das Loos der Waffen wechselt hin und her:
Kein kluger Streiter hält den Feind gering.
Auch ohne Hülfe gegen Trutz und Härte
Hat die Natur den Schwachen nicht gelassen.
Sie gab zur List ihm Freude, lehrt' ihn Künste;
H 2
Ein Schauſpiel,
Thoas.
Gehorche deinem Dienſte, nicht dem Herrn.
Iphigenie.
Laß ab! beſchönige nicht die Gewalt,
Die ſich der Schwachheit eines Weibes freut.
Ich bin ſo frey geboren als ein Mann.
Stünd’ Agamemnons Sohn dir gegenüber,
Und du verlangteſt was ſich nicht gebührt:
So hat auch Er ein Schwert und einen Arm,
Die Rechte ſeines Buſens zu vertheid’gen.
Ich habe nichts als Worte, und es ziemt
Dem edlen Mann, der Frauen Wort zu achten.
Thoas.
Ich acht’ es mehr als eines Bruders Schwert.
Iphigenie.
Das Loos der Waffen wechſelt hin und her:
Kein kluger Streiter hält den Feind gering.
Auch ohne Hülfe gegen Trutz und Härte
Hat die Natur den Schwachen nicht gelaſſen.
Sie gab zur Liſt ihm Freude, lehrt’ ihn Künſte;
H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0124" n="115"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Ein Schau&#x017F;piel,</hi> </fw><lb/>
            <sp who="#THO">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Thoas.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Gehorche deinem Dien&#x017F;te, nicht dem Herrn.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#IPH">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Iphigenie.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Laß ab! be&#x017F;chönige nicht die Gewalt,<lb/>
Die &#x017F;ich der Schwachheit eines Weibes freut.<lb/>
Ich bin &#x017F;o frey geboren als ein Mann.<lb/>
Stünd&#x2019; Agamemnons Sohn dir gegenüber,<lb/>
Und du verlangte&#x017F;t was &#x017F;ich nicht gebührt:<lb/>
So hat auch Er ein Schwert und einen Arm,<lb/>
Die Rechte &#x017F;eines Bu&#x017F;ens zu vertheid&#x2019;gen.<lb/>
Ich habe nichts als Worte, und es ziemt<lb/>
Dem edlen Mann, der Frauen Wort zu achten.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#THO">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Thoas.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Ich acht&#x2019; es mehr als eines Bruders Schwert.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#IPH">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Iphigenie.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Das Loos der Waffen wech&#x017F;elt hin und her:<lb/>
Kein kluger Streiter hält den Feind gering.<lb/>
Auch ohne Hülfe gegen Trutz und Härte<lb/>
Hat die Natur den Schwachen nicht gela&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Sie gab zur Li&#x017F;t ihm Freude, lehrt&#x2019; ihn Kün&#x017F;te;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0124] Ein Schauſpiel, Thoas. Gehorche deinem Dienſte, nicht dem Herrn. Iphigenie. Laß ab! beſchönige nicht die Gewalt, Die ſich der Schwachheit eines Weibes freut. Ich bin ſo frey geboren als ein Mann. Stünd’ Agamemnons Sohn dir gegenüber, Und du verlangteſt was ſich nicht gebührt: So hat auch Er ein Schwert und einen Arm, Die Rechte ſeines Buſens zu vertheid’gen. Ich habe nichts als Worte, und es ziemt Dem edlen Mann, der Frauen Wort zu achten. Thoas. Ich acht’ es mehr als eines Bruders Schwert. Iphigenie. Das Loos der Waffen wechſelt hin und her: Kein kluger Streiter hält den Feind gering. Auch ohne Hülfe gegen Trutz und Härte Hat die Natur den Schwachen nicht gelaſſen. Sie gab zur Liſt ihm Freude, lehrt’ ihn Künſte; H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/124
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/124>, abgerufen am 22.11.2024.