Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790.Ein Fragment. O sähst du, voller Mondenschein, Zum letztenmal auf meine Pein, Den ich so manche Mitternacht An diesem Pult herangewacht: Dann über Bücher und Papier, Trübsel'ger Freund, erschienst du mir! Ach könnt' ich doch auf Berges Höh'n, In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshöhle mit Geistern schweben, Auf Wiesen in deinem Dämmer weben, Von allem Wissensqualm entladen, In deinem Thau gesund mich baden! Weh! steck' ich in dem Kerker noch? Verfluchtes, dumpfes Mauerloch! Wo selbst das liebe Himmelslicht Trüb' durch gemahlte Scheiben bricht. Beschränkt mit diesem Bücherhauf, Den Würme nagen, Staub bedeckt, Den, bis an's hohe Gewölb' hinauf, Ein angeraucht Papier umsteckt; Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt, Ein Fragment. O ſähſt du, voller Mondenſchein, Zum letztenmal auf meine Pein, Den ich ſo manche Mitternacht An dieſem Pult herangewacht: Dann über Bücher und Papier, Trübſel’ger Freund, erſchienſt du mir! Ach könnt’ ich doch auf Berges Höh’n, In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshöhle mit Geiſtern ſchweben, Auf Wieſen in deinem Dämmer weben, Von allem Wiſſensqualm entladen, In deinem Thau geſund mich baden! Weh! ſteck’ ich in dem Kerker noch? Verfluchtes, dumpfes Mauerloch! Wo ſelbſt das liebe Himmelslicht Trüb’ durch gemahlte Scheiben bricht. Beſchränkt mit dieſem Bücherhauf, Den Würme nagen, Staub bedeckt, Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf, Ein angeraucht Papier umſteckt; Mit Gläſern, Büchſen rings umſtellt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <pb facs="#f0015" n="5"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Fragment</hi>.</fw><lb/> <p>O ſähſt du, voller Mondenſchein,<lb/> Zum letztenmal auf meine Pein,<lb/> Den ich ſo manche Mitternacht<lb/> An dieſem Pult herangewacht:<lb/> Dann über Bücher und Papier,<lb/> Trübſel’ger Freund, erſchienſt du mir!<lb/> Ach könnt’ ich doch auf Berges Höh’n,<lb/> In deinem lieben Lichte gehn,<lb/> Um Bergeshöhle mit Geiſtern ſchweben,<lb/> Auf Wieſen in deinem Dämmer weben,<lb/> Von allem Wiſſensqualm entladen,<lb/> In deinem Thau geſund mich baden!</p><lb/> <p>Weh! ſteck’ ich in dem Kerker noch?<lb/> Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!<lb/> Wo ſelbſt das liebe Himmelslicht<lb/> Trüb’ durch gemahlte Scheiben bricht.<lb/> Beſchränkt mit dieſem Bücherhauf,<lb/> Den Würme nagen, Staub bedeckt,<lb/> Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,<lb/> Ein angeraucht Papier umſteckt;<lb/> Mit Gläſern, Büchſen rings umſtellt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0015]
Ein Fragment.
O ſähſt du, voller Mondenſchein,
Zum letztenmal auf meine Pein,
Den ich ſo manche Mitternacht
An dieſem Pult herangewacht:
Dann über Bücher und Papier,
Trübſel’ger Freund, erſchienſt du mir!
Ach könnt’ ich doch auf Berges Höh’n,
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöhle mit Geiſtern ſchweben,
Auf Wieſen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wiſſensqualm entladen,
In deinem Thau geſund mich baden!
Weh! ſteck’ ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!
Wo ſelbſt das liebe Himmelslicht
Trüb’ durch gemahlte Scheiben bricht.
Beſchränkt mit dieſem Bücherhauf,
Den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,
Ein angeraucht Papier umſteckt;
Mit Gläſern, Büchſen rings umſtellt,
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faustfragment_1790/15>, abgerufen am 16.02.2025. |