Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790.Ein Fragment. Da konnte sie nun nicht d'ran denkenDas arme Würmchen selbst zu tränken, Und so erzog ich's ganz allein, Mit Milch und Wasser; so ward's mein, Auf meinem Arm, in meinem Schoos War's freundlich, zappelte, ward groß. Faust. Du hast gewiß das reinste Glück empfunden. Margarethe. Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden. Des Kleinen Wiege stand zu Nacht An meinem Bett, es durfte kaum sich regen, War ich erwacht; Bald mußt' ich's tränken, bald es zu mir legen, Bald, wenn's nicht schwieg, vom Bett' aufstehn, Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn; Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen, Und immer fort wie heut so morgen. Ein Fragment. Da konnte ſie nun nicht d’ran denkenDas arme Würmchen ſelbſt zu tränken, Und ſo erzog ich’s ganz allein, Mit Milch und Waſſer; ſo ward’s mein, Auf meinem Arm, in meinem Schoos War’s freundlich, zappelte, ward groß. Fauſt. Du haſt gewiß das reinſte Glück empfunden. Margarethe. Doch auch gewiß gar manche ſchwere Stunden. Des Kleinen Wiege ſtand zu Nacht An meinem Bett, es durfte kaum ſich regen, War ich erwacht; Bald mußt’ ich’s tränken, bald es zu mir legen, Bald, wenn’s nicht ſchwieg, vom Bett’ aufſtehn, Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, Und früh am Tage ſchon am Waſchtrog ſtehn; Dann auf dem Markt und an dem Herde ſorgen, Und immer fort wie heut ſo morgen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MARGA"> <p><pb facs="#f0133" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Fragment</hi>.</fw><lb/> Da konnte ſie nun nicht d’ran denken<lb/> Das arme Würmchen ſelbſt zu tränken,<lb/> Und ſo erzog ich’s ganz allein,<lb/> Mit Milch und Waſſer; ſo ward’s mein,<lb/> Auf meinem Arm, in meinem Schoos<lb/> War’s freundlich, zappelte, ward groß.</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>Du haſt gewiß das reinſte Glück empfunden.</p> </sp><lb/> <sp who="#MARGA"> <speaker><hi rendition="#g">Margarethe</hi>.</speaker><lb/> <p>Doch auch gewiß gar manche ſchwere Stunden.<lb/> Des Kleinen Wiege ſtand zu Nacht<lb/> An meinem Bett, es durfte kaum ſich regen,<lb/> War ich erwacht;<lb/> Bald mußt’ ich’s tränken, bald es zu mir legen,<lb/> Bald, wenn’s nicht ſchwieg, vom Bett’ aufſtehn,<lb/> Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder<lb/> gehn,<lb/> Und früh am Tage ſchon am Waſchtrog ſtehn;<lb/> Dann auf dem Markt und an dem Herde<lb/> ſorgen,<lb/> Und immer fort wie heut ſo morgen.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0133]
Ein Fragment.
Da konnte ſie nun nicht d’ran denken
Das arme Würmchen ſelbſt zu tränken,
Und ſo erzog ich’s ganz allein,
Mit Milch und Waſſer; ſo ward’s mein,
Auf meinem Arm, in meinem Schoos
War’s freundlich, zappelte, ward groß.
Fauſt.
Du haſt gewiß das reinſte Glück empfunden.
Margarethe.
Doch auch gewiß gar manche ſchwere Stunden.
Des Kleinen Wiege ſtand zu Nacht
An meinem Bett, es durfte kaum ſich regen,
War ich erwacht;
Bald mußt’ ich’s tränken, bald es zu mir legen,
Bald, wenn’s nicht ſchwieg, vom Bett’ aufſtehn,
Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder
gehn,
Und früh am Tage ſchon am Waſchtrog ſtehn;
Dann auf dem Markt und an dem Herde
ſorgen,
Und immer fort wie heut ſo morgen.
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