Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832. Dame (herandringend). Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen, Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen; Bis gestern sucht Er Heil in meinen Blicken, Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken. Mephistopheles. Bedenklich ist es, aber höre mich. An ihn heran mußt du dich leise drücken; Nimm diese Kohle, streich' ihm einen Strich Auf Aermel, Mantel, Schulter wie sich's macht; Er fühlt im Herzen holden Reuestich. Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen, Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen; Er seufzt vor deiner Thür' noch heute Nacht. Dame. Ist doch kein Gift? Mephistopheles (entrüstet). Respect wo sich's gebührt! Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen; Sie kommt von einem Scheiterhaufen Den wir sonst emsiger angeschürt. Page. Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll. Mephistopheles (bei Seite). Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören soll. Dame (herandringend). Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen, Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen; Bis gestern sucht Er Heil in meinen Blicken, Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken. Mephistopheles. Bedenklich ist es, aber höre mich. An ihn heran mußt du dich leise drücken; Nimm diese Kohle, streich’ ihm einen Strich Auf Aermel, Mantel, Schulter wie sich’s macht; Er fühlt im Herzen holden Reuestich. Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen, Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen; Er seufzt vor deiner Thür’ noch heute Nacht. Dame. Ist doch kein Gift? Mephistopheles (entrüstet). Respect wo sich’s gebührt! Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen; Sie kommt von einem Scheiterhaufen Den wir sonst emsiger angeschürt. Page. Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll. Mephistopheles (bei Seite). Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören soll. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0092" n="80"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Dame</hi> </speaker><lb/> <stage>(herandringend).</stage><lb/> <p>Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen,<lb/> Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen;<lb/> Bis gestern sucht Er Heil in meinen Blicken,<lb/> Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Bedenklich ist es, aber höre mich.<lb/> An ihn heran mußt du dich leise drücken;<lb/> Nimm diese Kohle, streich’ ihm einen Strich<lb/> Auf Aermel, Mantel, Schulter wie sich’s macht;<lb/> Er fühlt im Herzen holden Reuestich.<lb/> Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen,<lb/> Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;<lb/> Er seufzt vor deiner Thür’ noch heute Nacht.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Dame.</hi> </speaker><lb/> <p>Ist doch kein Gift?<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles</hi> </speaker><lb/> <stage>(entrüstet).</stage><lb/> <p><hi rendition="#et">Respect wo sich’s gebührt!</hi><lb/> Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen;<lb/> Sie kommt von einem Scheiterhaufen<lb/> Den wir sonst emsiger angeschürt.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Page.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles</hi> </speaker><lb/> <stage>(bei Seite).</stage><lb/> <p>Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören soll.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0092]
Dame
(herandringend).
Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen,
Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen;
Bis gestern sucht Er Heil in meinen Blicken,
Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken.
Mephistopheles.
Bedenklich ist es, aber höre mich.
An ihn heran mußt du dich leise drücken;
Nimm diese Kohle, streich’ ihm einen Strich
Auf Aermel, Mantel, Schulter wie sich’s macht;
Er fühlt im Herzen holden Reuestich.
Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen,
Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;
Er seufzt vor deiner Thür’ noch heute Nacht.
Dame.
Ist doch kein Gift?
Mephistopheles
(entrüstet).
Respect wo sich’s gebührt!
Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen;
Sie kommt von einem Scheiterhaufen
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Mephistopheles
(bei Seite).
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/92>, abgerufen am 20.07.2024. |