Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832. Faust. Mit solchem Räthselkram verschone mich! Und kurz und gut, was soll's? Erkläre dich. Mephistopheles. Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen, Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen, Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten, Ihm falschen Reichthum in die Hände spielten, Da war die ganze Welt ihm feil. Denn jung ward ihm der Thron zu Theil, Und ihm beliebt' es falsch zu schließen, Es könne wohl zusammengehn, Und sey recht wünschenswerth und schön, Regieren und zugleich genießen. Faust. Ein großer Irrthum. Wer befehlen soll, Muß im Befehlen Seligkeit empfinden. Ihm ist die Brust von hohem Willen voll, Doch was er will, es darf's kein Mensch ergründen. Was er den Treusten in das Ohr geraunt, Es ist gethan und alle Welt erstaunt. So wird er stets der Allerhöchste seyn, Der Würdigste -; Genießen macht gemein. Mephistopheles. So ist er nicht! Er selbst genoß und wie? Indeß zerfiel das Reich in Anarchie, Wo Groß und Klein sich kreuz und quer befehdeten, Und Brüder sich vertrieben, tödteten, Faust. Mit solchem Räthselkram verschone mich! Und kurz und gut, was soll’s? Erkläre dich. Mephistopheles. Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen, Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen, Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten, Ihm falschen Reichthum in die Hände spielten, Da war die ganze Welt ihm feil. Denn jung ward ihm der Thron zu Theil, Und ihm beliebt’ es falsch zu schließen, Es könne wohl zusammengehn, Und sey recht wünschenswerth und schön, Regieren und zugleich genießen. Faust. Ein großer Irrthum. Wer befehlen soll, Muß im Befehlen Seligkeit empfinden. Ihm ist die Brust von hohem Willen voll, Doch was er will, es darf’s kein Mensch ergründen. Was er den Treusten in das Ohr geraunt, Es ist gethan und alle Welt erstaunt. So wird er stets der Allerhöchste seyn, Der Würdigste –; Genießen macht gemein. Mephistopheles. So ist er nicht! Er selbst genoß und wie? Indeß zerfiel das Reich in Anarchie, Wo Groß und Klein sich kreuz und quer befehdeten, Und Brüder sich vertrieben, tödteten, <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0272" n="260"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p>Mit solchem Räthselkram verschone mich!<lb/> Und kurz und gut, was soll’s? Erkläre dich.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen,<lb/> Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen,<lb/> Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,<lb/> Ihm falschen Reichthum in die Hände spielten,<lb/> Da war die ganze Welt ihm feil.<lb/> Denn jung ward ihm der Thron zu Theil,<lb/> Und ihm beliebt’ es falsch zu schließen,<lb/> Es könne wohl zusammengehn,<lb/> Und sey recht wünschenswerth und schön,<lb/> Regieren <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> zugleich genießen.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p>Ein großer Irrthum. Wer befehlen soll,<lb/> Muß im Befehlen Seligkeit empfinden.<lb/> Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,<lb/> Doch was er will, es darf’s kein Mensch ergründen.<lb/> Was er den Treusten in das Ohr geraunt,<lb/> Es ist gethan und alle Welt erstaunt.<lb/> So wird er stets der Allerhöchste seyn,<lb/> Der Würdigste –; Genießen macht gemein.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>So ist er nicht! Er selbst genoß und wie?<lb/> Indeß zerfiel das Reich in Anarchie,<lb/> Wo Groß und Klein sich kreuz und quer befehdeten,<lb/> Und Brüder sich vertrieben, tödteten,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [260/0272]
Faust.
Mit solchem Räthselkram verschone mich!
Und kurz und gut, was soll’s? Erkläre dich.
Mephistopheles.
Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen,
Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen,
Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,
Ihm falschen Reichthum in die Hände spielten,
Da war die ganze Welt ihm feil.
Denn jung ward ihm der Thron zu Theil,
Und ihm beliebt’ es falsch zu schließen,
Es könne wohl zusammengehn,
Und sey recht wünschenswerth und schön,
Regieren und zugleich genießen.
Faust.
Ein großer Irrthum. Wer befehlen soll,
Muß im Befehlen Seligkeit empfinden.
Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,
Doch was er will, es darf’s kein Mensch ergründen.
Was er den Treusten in das Ohr geraunt,
Es ist gethan und alle Welt erstaunt.
So wird er stets der Allerhöchste seyn,
Der Würdigste –; Genießen macht gemein.
Mephistopheles.
So ist er nicht! Er selbst genoß und wie?
Indeß zerfiel das Reich in Anarchie,
Wo Groß und Klein sich kreuz und quer befehdeten,
Und Brüder sich vertrieben, tödteten,
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/272>, abgerufen am 16.02.2025. |