Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832. Gemurmel. Das ist ein Schalk - der's wohl versteht - Er lügt sich ein - So lang' es geht - Ich weiß schon - was dahinter steckt - Und was denn weiter? - Ein Project - Mephistopheles. Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dieß, dem das, hier aber fehlt das Geld. Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen; Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen. In Bergesadern, Mauergründen Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden, Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft: Begabten Mann's Natur- und Geisteskraft. Canzler. Natur und Geist - so spricht man nicht zu Christen. Deßhalb verbrennt man Atheisten Weil solche Reden höchst gefährlich sind. Natur ist Sünde, Geist ist Teufel; Sie hegen zwischen sich den Zweifel, Ihr mißgestaltet Zwitterkind. Uns nicht so! - Kaisers alten Landen Sind zwey Geschlechter nur entstanden, Sie stützen würdig seinen Thron: Die Heiligen sind es und die Ritter; Sie stehen jedem Ungewitter Und nehmen Kirch' und Staat zum Lohn. Gemurmel. Das ist ein Schalk – der’s wohl versteht – Er lügt sich ein – So lang’ es geht – Ich weiß schon – was dahinter steckt – Und was denn weiter? – Ein Project – Mephistopheles. Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dieß, dem das, hier aber fehlt das Geld. Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen; Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen. In Bergesadern, Mauergründen Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden, Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft: Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft. Canzler. Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen. Deßhalb verbrennt man Atheisten Weil solche Reden höchst gefährlich sind. Natur ist Sünde, Geist ist Teufel; Sie hegen zwischen sich den Zweifel, Ihr mißgestaltet Zwitterkind. Uns nicht so! – Kaisers alten Landen Sind zwey Geschlechter nur entstanden, Sie stützen würdig seinen Thron: Die Heiligen sind es und die Ritter; Sie stehen jedem Ungewitter Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0027" n="15"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Gemurmel.</hi> </speaker><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Das ist ein Schalk – der’s wohl versteht –</l><lb/> <l rendition="#et">Er lügt sich ein – So lang’ es geht –</l><lb/> <l rendition="#et">Ich weiß schon – was dahinter steckt –</l><lb/> <l rendition="#et">Und was denn weiter? – Ein Project –</l><lb/> </lg> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?<lb/> Dem dieß, dem das, hier aber fehlt das Geld.<lb/> Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;<lb/> Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.<lb/> In Bergesadern, Mauergründen<lb/> Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,<lb/> Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:<lb/> Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Canzler.</hi> </speaker><lb/> <p>Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.<lb/> Deßhalb verbrennt man Atheisten<lb/> Weil solche Reden höchst gefährlich sind.<lb/> Natur ist Sünde, Geist ist Teufel;<lb/> Sie hegen zwischen sich den Zweifel,<lb/> Ihr mißgestaltet Zwitterkind.<lb/> Uns nicht so! – Kaisers alten Landen<lb/> Sind zwey Geschlechter nur entstanden,<lb/> Sie stützen würdig seinen Thron:<lb/> Die Heiligen sind es und die Ritter;<lb/> Sie stehen jedem Ungewitter<lb/> Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0027]
Gemurmel.
Das ist ein Schalk – der’s wohl versteht –
Er lügt sich ein – So lang’ es geht –
Ich weiß schon – was dahinter steckt –
Und was denn weiter? – Ein Project –
Mephistopheles.
Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?
Dem dieß, dem das, hier aber fehlt das Geld.
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:
Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft.
Canzler.
Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
Deßhalb verbrennt man Atheisten
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel;
Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr mißgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
Sind zwey Geschlechter nur entstanden,
Sie stützen würdig seinen Thron:
Die Heiligen sind es und die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/27>, abgerufen am 16.07.2024. |