Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832. Mephistopheles. Was geht mich's an! Natur sey wie sie sey! 's ist Ehrenpunkt: der Teufel war dabei! Wir sind die Leute Großes zu erreichen; Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! - Doch, daß ich endlich ganz verständlich spreche, Gefiel dir nichts an unsrer Oberfläche? Du übersahst, in ungemess'nen Weiten, "Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten." (Matth. 4.) Doch, ungenügsam wie du bist, Empfandest du wohl kein Gelüst? Faust. Und doch! ein Großes zog mich an. Errathe! Mephistopheles. Das ist bald gethan. Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus, Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus, Krummenge Gäßchen, spitze Giebeln, Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln; Fleischbänke wo die Schmeißen hausen, Die fetten Braten anzuschmausen; Da findest du zu jeder Zeit Gewiß Gestank und Thätigkeit. Dann weite Plätze, breite Straßen, Vornehmen Schein sich anzumaßen; Und endlich, wo kein Thor beschränkt, Vorstädte gränzenlos verlängt. Mephistopheles. Was geht mich’s an! Natur sey wie sie sey! ’s ist Ehrenpunkt: der Teufel war dabei! Wir sind die Leute Großes zu erreichen; Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! – Doch, daß ich endlich ganz verständlich spreche, Gefiel dir nichts an unsrer Oberfläche? Du übersahst, in ungemess’nen Weiten, „Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten.“ (Matth. 4.) Doch, ungenügsam wie du bist, Empfandest du wohl kein Gelüst? Faust. Und doch! ein Großes zog mich an. Errathe! Mephistopheles. Das ist bald gethan. Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus, Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus, Krummenge Gäßchen, spitze Giebeln, Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln; Fleischbänke wo die Schmeißen hausen, Die fetten Braten anzuschmausen; Da findest du zu jeder Zeit Gewiß Gestank und Thätigkeit. Dann weite Plätze, breite Straßen, Vornehmen Schein sich anzumaßen; Und endlich, wo kein Thor beschränkt, Vorstädte gränzenlos verlängt. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0267" n="255"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Was geht mich’s an! Natur sey wie sie sey!<lb/> ’s ist Ehrenpunkt: der Teufel war dabei!<lb/> Wir sind die Leute Großes zu erreichen;<lb/> Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! –<lb/> Doch, daß ich endlich ganz verständlich spreche,<lb/> Gefiel dir nichts an unsrer Oberfläche?<lb/> Du übersahst, in ungemess’nen Weiten,<lb/> „Die Reiche der Welt und ihre <choice><sic>Herlichkeiten</sic><corr>Herrlichkeiten</corr></choice>.“<lb/><bibl><hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">(Matth. 4.)</hi></hi><lb/></bibl> Doch, ungenügsam wie du bist,<lb/> Empfandest du wohl kein Gelüst?<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p>Und doch! ein Großes zog mich an.<lb/> Errathe!<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Das ist bald gethan.</hi><lb/> Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus,<lb/> Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus,<lb/> Krummenge Gäßchen, spitze Giebeln,<lb/> Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln;<lb/> Fleischbänke wo die Schmeißen hausen,<lb/> Die fetten Braten anzuschmausen;<lb/> Da findest du zu jeder Zeit<lb/> Gewiß Gestank und Thätigkeit.<lb/> Dann weite Plätze, breite Straßen,<lb/> Vornehmen Schein sich anzumaßen;<lb/> Und endlich, wo kein Thor beschränkt,<lb/> Vorstädte gränzenlos verlängt.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [255/0267]
Mephistopheles.
Was geht mich’s an! Natur sey wie sie sey!
’s ist Ehrenpunkt: der Teufel war dabei!
Wir sind die Leute Großes zu erreichen;
Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! –
Doch, daß ich endlich ganz verständlich spreche,
Gefiel dir nichts an unsrer Oberfläche?
Du übersahst, in ungemess’nen Weiten,
„Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten.“
(Matth. 4.)
Doch, ungenügsam wie du bist,
Empfandest du wohl kein Gelüst?
Faust.
Und doch! ein Großes zog mich an.
Errathe!
Mephistopheles.
Das ist bald gethan.
Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus,
Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus,
Krummenge Gäßchen, spitze Giebeln,
Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln;
Fleischbänke wo die Schmeißen hausen,
Die fetten Braten anzuschmausen;
Da findest du zu jeder Zeit
Gewiß Gestank und Thätigkeit.
Dann weite Plätze, breite Straßen,
Vornehmen Schein sich anzumaßen;
Und endlich, wo kein Thor beschränkt,
Vorstädte gränzenlos verlängt.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/267>, abgerufen am 16.02.2025. |