Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Phorkyas.
Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind's.
Chor.
Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.
Phorkyas.
Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt
Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,
Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,
Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.
Helena.
Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier!
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.
Phorkyas.
Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.
Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht;
Gestad' und Inseln, alles streift' er feindlich an,
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.
Vor Ilios verbracht' er langer Jahre zehn,
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.
Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos
Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?
Helena.
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?
Phorkyas.
Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s.
Chor.
Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.
Phorkyas.
Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt
Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,
Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,
Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.
Helena.
Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier!
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.
Phorkyas.
Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.
Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht;
Gestad’ und Inseln, alles streift’ er feindlich an,
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.
Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn,
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.
Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos
Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?
Helena.
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act" n="1">
        <div type="scene" n="2">
          <pb facs="#f0213" n="201"/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug<lb/>
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind&#x2019;s.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Chor.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt<lb/>
Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,<lb/>
Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,<lb/>
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:<lb/>
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht<lb/>
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,<lb/>
Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,<lb/>
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Helena.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier!<lb/>
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.<lb/>
Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht;<lb/>
Gestad&#x2019; und Inseln, alles streift&#x2019; er feindlich an,<lb/>
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.<lb/>
Vor Ilios verbracht&#x2019; er langer Jahre zehn,<lb/>
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.<lb/>
Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos<lb/>
Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Helena.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,<lb/>
Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0213] Phorkyas. Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s. Chor. Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß. Phorkyas. Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß, Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang, Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch: Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich, Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz, Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört. Helena. Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier! Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches. Phorkyas. Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs. Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht; Gestad’ und Inseln, alles streift’ er feindlich an, Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt. Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn, Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war. Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher? Helena. Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt, Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/213
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/213>, abgerufen am 22.11.2024.