Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Bis sie zuletzt des Orcus hohle Nacht umfängt,
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat.
Euch find' ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her
Mit Uebermuth ergossen, gleich der Kraniche
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt,
In langer Wolke, krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,
Er geht den seinen; also wird's mit uns geschehn.

Wer seyd denn ihr, daß ihr des Königs Hochpalast
Mänadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben dürft?
Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar?
Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr seyd?
Du kriegerzeugte, schlachterzogne, junge Brut!
Mannlustige du, so wie verführt, verführende!
Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft.
Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm
Herabzustürzen, deckend grünende Feldersaat.
Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr!
Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du!
Helena.
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
Der Gebiet'rin Hausrecht tastet er vermessen an;
Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist.
Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir
Bis sie zuletzt des Orcus hohle Nacht umfängt,
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat.
Euch find’ ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her
Mit Uebermuth ergossen, gleich der Kraniche
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt,
In langer Wolke, krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,
Er geht den seinen; also wird’s mit uns geschehn.

Wer seyd denn ihr, daß ihr des Königs Hochpalast
Mänadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben dürft?
Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar?
Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr seyd?
Du kriegerzeugte, schlachterzogne, junge Brut!
Mannlustige du, so wie verführt, verführende!
Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft.
Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm
Herabzustürzen, deckend grünende Feldersaat.
Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr!
Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du!
Helena.
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
Der Gebiet’rin Hausrecht tastet er vermessen an;
Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist.
Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act" n="1">
        <div type="scene" n="2">
          <sp>
            <p><pb facs="#f0202" n="190"/>
Bis sie zuletzt des Orcus hohle Nacht umfängt,<lb/>
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat.<lb/>
Euch find&#x2019; ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her<lb/>
Mit Uebermuth ergossen, gleich der Kraniche<lb/>
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt,<lb/>
In langer Wolke, krächzend sein Getön herab<lb/>
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf<lb/>
Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,<lb/>
Er geht den seinen; also wird&#x2019;s mit uns geschehn.<lb/></p><lb/>
            <p> Wer seyd denn ihr, daß ihr des Königs Hochpalast<lb/>
Mänadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben dürft?<lb/>
Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin<lb/>
Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar?<lb/>
Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr seyd?<lb/>
Du kriegerzeugte, schlachterzogne, junge Brut!<lb/>
Mannlustige du, so wie verführt, verführende!<lb/>
Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft.<lb/>
Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm<lb/>
Herabzustürzen, deckend grünende Feldersaat.<lb/>
Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende<lb/>
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr!<lb/>
Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du!<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Helena.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,<lb/>
Der Gebiet&#x2019;rin Hausrecht tastet er vermessen an;<lb/>
Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige<lb/>
Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist.<lb/>
Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0202] Bis sie zuletzt des Orcus hohle Nacht umfängt, Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat. Euch find’ ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her Mit Uebermuth ergossen, gleich der Kraniche Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt, In langer Wolke, krächzend sein Getön herab Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin, Er geht den seinen; also wird’s mit uns geschehn. Wer seyd denn ihr, daß ihr des Königs Hochpalast Mänadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben dürft? Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar? Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr seyd? Du kriegerzeugte, schlachterzogne, junge Brut! Mannlustige du, so wie verführt, verführende! Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft. Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm Herabzustürzen, deckend grünende Feldersaat. Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr! Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du! Helena. Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt, Der Gebiet’rin Hausrecht tastet er vermessen an; Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist. Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/202
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/202>, abgerufen am 24.11.2024.