Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.Wagest du Scheusal, Neben der Schönheit, Dich vor dem Kennerblick Phöbus zu zeigen? Tritt du dennoch hervor nur immer, Denn das Häßliche schaut Er nicht, Wie sein heiliges Auge noch Nie erblickte den Schatten. Doch uns Sterbliche nöthigt, ach Leider! trauriges Mißgeschick Zu dem unsäglichen Augenschmerz, Den das Verwerfliche, Ewig-unselige Schönheitliebenden rege macht. Ja so höre denn, wenn du frech Uns entgegenest, höre Fluch, Höre jeglicher Schelte Drohn Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen, Die von Göttern gebildet sind. Phorkyas. Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn: Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand, Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad. Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß, Daß, wo sie immer irgend auch des Weges sich Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt. Dann eilet jede wieder heftiger weiter fort, Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt, Wagest du Scheusal, Neben der Schönheit, Dich vor dem Kennerblick Phöbus zu zeigen? Tritt du dennoch hervor nur immer, Denn das Häßliche schaut Er nicht, Wie sein heiliges Auge noch Nie erblickte den Schatten. Doch uns Sterbliche nöthigt, ach Leider! trauriges Mißgeschick Zu dem unsäglichen Augenschmerz, Den das Verwerfliche, Ewig-unselige Schönheitliebenden rege macht. Ja so höre denn, wenn du frech Uns entgegenest, höre Fluch, Höre jeglicher Schelte Drohn Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen, Die von Göttern gebildet sind. Phorkyas. Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn: Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand, Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad. Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß, Daß, wo sie immer irgend auch des Weges sich Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt. Dann eilet jede wieder heftiger weiter fort, Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt, <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <lg type="poem"> <pb facs="#f0201" n="189"/> <lg> <l rendition="#et">Wagest du Scheusal,</l><lb/> <l rendition="#et">Neben der Schönheit,</l><lb/> <l rendition="#et">Dich vor dem Kennerblick</l><lb/> <l rendition="#et">Phöbus zu zeigen?</l><lb/> <l rendition="#et">Tritt du dennoch hervor nur immer,</l><lb/> <l rendition="#et">Denn das Häßliche schaut Er nicht,</l><lb/> <l rendition="#et">Wie sein heiliges Auge noch</l><lb/> <l rendition="#et">Nie erblickte den Schatten.</l><lb/> </lg> <lg> <l rendition="#et">Doch uns Sterbliche nöthigt, ach</l><lb/> <l rendition="#et">Leider! trauriges Mißgeschick</l><lb/> <l rendition="#et">Zu dem unsäglichen Augenschmerz,</l><lb/> <l rendition="#et">Den das Verwerfliche, Ewig-unselige</l><lb/> <l rendition="#et">Schönheitliebenden rege macht.</l><lb/> </lg> <lg> <l rendition="#et">Ja so höre denn, wenn du frech</l><lb/> <l rendition="#et">Uns entgegenest, höre Fluch,</l><lb/> <l rendition="#et">Höre jeglicher Schelte Drohn</l><lb/> <l rendition="#et">Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen,</l><lb/> <l rendition="#et">Die von Göttern gebildet sind.</l><lb/> </lg> </lg> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas.</hi> </speaker><lb/> <p>Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn:<lb/> Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,<lb/> Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.<lb/> Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,<lb/> Daß, wo sie immer irgend auch des Weges sich<lb/> Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.<lb/> Dann eilet jede wieder heftiger weiter fort,<lb/> Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0201]
Wagest du Scheusal,
Neben der Schönheit,
Dich vor dem Kennerblick
Phöbus zu zeigen?
Tritt du dennoch hervor nur immer,
Denn das Häßliche schaut Er nicht,
Wie sein heiliges Auge noch
Nie erblickte den Schatten.
Doch uns Sterbliche nöthigt, ach
Leider! trauriges Mißgeschick
Zu dem unsäglichen Augenschmerz,
Den das Verwerfliche, Ewig-unselige
Schönheitliebenden rege macht.
Ja so höre denn, wenn du frech
Uns entgegenest, höre Fluch,
Höre jeglicher Schelte Drohn
Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen,
Die von Göttern gebildet sind.
Phorkyas.
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn:
Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,
Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Daß, wo sie immer irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.
Dann eilet jede wieder heftiger weiter fort,
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |