Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.
Gegrüßet seyd mir der eh'rnen Pforte Flügel ihr! Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst Geschah's, daß mir, erwählt aus vielen, Menelas In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete. Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt. Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll. Denn seit ich diese Stelle sorgenlos verließ, Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß, Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische, Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit So gern erzählen, aber der nicht gerne hört Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann. Chor. Verschmähe nicht, o herrliche Frau, Des höchsten Gutes Ehrenbesitz! Denn das größte Glück ist dir einzig beschert, Der Schönheit Ruhm, der vor allen sich hebt. Dem Helden tönt sein Name voran, Drum schreitet er stolz, Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn. Helena. Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt; Doch welchen Sinn er hegen mag errath' ich nicht. Komm' ich als Gattin? komm' ich eine Königin?
Gegrüßet seyd mir der eh’rnen Pforte Flügel ihr! Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst Geschah’s, daß mir, erwählt aus vielen, Menelas In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete. Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt. Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll. Denn seit ich diese Stelle sorgenlos verließ, Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß, Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische, Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit So gern erzählen, aber der nicht gerne hört Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann. Chor. Verschmähe nicht, o herrliche Frau, Des höchsten Gutes Ehrenbesitz! Denn das größte Glück ist dir einzig beschert, Der Schönheit Ruhm, der vor allen sich hebt. Dem Helden tönt sein Name voran, Drum schreitet er stolz, Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn. Helena. Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt; Doch welchen Sinn er hegen mag errath’ ich nicht. Komm’ ich als Gattin? komm’ ich eine Königin? <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0192" n="180"/> Gegrüßet seyd mir der eh’rnen Pforte Flügel ihr!<lb/> Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst<lb/> Geschah’s, daß mir, erwählt aus vielen, Menelas<lb/> In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete.<lb/> Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot<lb/> Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt.<lb/> Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir<lb/> Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll.<lb/> Denn seit ich diese Stelle sorgenlos verließ,<lb/> Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß,<lb/> Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,<lb/> Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit<lb/> So gern erzählen, aber der nicht gerne hört<lb/> Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Chor.</hi> </speaker><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Verschmähe nicht, o herrliche Frau,</l><lb/> <l rendition="#et">Des höchsten Gutes Ehrenbesitz!</l><lb/> <l rendition="#et">Denn das größte Glück ist dir einzig beschert,</l><lb/> <l rendition="#et">Der Schönheit Ruhm, der vor allen sich hebt.</l><lb/> <l rendition="#et">Dem Helden tönt sein Name voran,</l><lb/> <l rendition="#et">Drum schreitet er stolz,</l><lb/> <l rendition="#et">Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann</l><lb/> <l rendition="#et">Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn.</l><lb/> </lg> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Helena.</hi> </speaker><lb/> <p>Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft<lb/> Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt;<lb/> Doch welchen Sinn er hegen mag errath’ ich nicht.<lb/> Komm’ ich als Gattin? komm’ ich eine Königin?<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [180/0192]
Gegrüßet seyd mir der eh’rnen Pforte Flügel ihr!
Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst
Geschah’s, daß mir, erwählt aus vielen, Menelas
In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete.
Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot
Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt.
Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir
Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll.
Denn seit ich diese Stelle sorgenlos verließ,
Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß,
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,
Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört
Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann.
Chor.
Verschmähe nicht, o herrliche Frau,
Des höchsten Gutes Ehrenbesitz!
Denn das größte Glück ist dir einzig beschert,
Der Schönheit Ruhm, der vor allen sich hebt.
Dem Helden tönt sein Name voran,
Drum schreitet er stolz,
Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann
Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn.
Helena.
Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft
Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt;
Doch welchen Sinn er hegen mag errath’ ich nicht.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/192>, abgerufen am 16.02.2025. |