Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.
Und find' ich hier das Seltsamste beisammen, Durchforsch' ich ernst dieß Labyrinth der Flammen. (Entfernt sich.) Mephistopheles (umherspürend). Und wie ich diese Feuerchen durchschweife, So find' ich mich doch ganz und gar entfremdet, Fast alles nackt, nur hie und da behemdet: Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife, Und was nicht alles, lockig und beflügelt, Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt... Zwar sind auch wir von Herzen unanständig, Doch das Antike find' ich zu lebendig; Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern Und mannichfaltig modisch überkleistern... Ein widrig Volk! doch darf mich's nicht verdrießen Als neuer Gast anständig sie zu grüßen... Glück zu! den schönen Frau'n, den klugen Greisen. Greif (schnarrend). Nicht Greisen! Greifen! - Niemand hört es gern Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt Der Ursprung nach wo es sich her bedingt: Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig, Etymologisch gleicherweise stimmig, Verstimmen uns. Mephistopheles.
Und doch, nicht abzuschweifen, Gefällt das Grei im Ehrentitel Greifen.
Und find’ ich hier das Seltsamste beisammen, Durchforsch’ ich ernst dieß Labyrinth der Flammen. (Entfernt sich.) Mephistopheles (umherspürend). Und wie ich diese Feuerchen durchschweife, So find’ ich mich doch ganz und gar entfremdet, Fast alles nackt, nur hie und da behemdet: Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife, Und was nicht alles, lockig und beflügelt, Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt… Zwar sind auch wir von Herzen unanständig, Doch das Antike find’ ich zu lebendig; Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern Und mannichfaltig modisch überkleistern… Ein widrig Volk! doch darf mich’s nicht verdrießen Als neuer Gast anständig sie zu grüßen… Glück zu! den schönen Frau’n, den klugen Greisen. Greif (schnarrend). Nicht Greisen! Greifen! – Niemand hört es gern Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt Der Ursprung nach wo es sich her bedingt: Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig, Etymologisch gleicherweise stimmig, Verstimmen uns. Mephistopheles.
Und doch, nicht abzuschweifen, Gefällt das Grei im Ehrentitel Greifen. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0128" n="116"/> Und find’ ich hier das Seltsamste beisammen,<lb/> Durchforsch’ ich ernst dieß Labyrinth der Flammen.<lb/></p> <stage>(Entfernt sich.)</stage><lb/> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles</hi> </speaker> <stage>(umherspürend).</stage><lb/> <p>Und wie ich diese Feuerchen durchschweife,<lb/> So find’ ich mich doch ganz und gar entfremdet,<lb/> Fast alles nackt, nur hie und da behemdet:<lb/> Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife,<lb/> Und was nicht alles, lockig und beflügelt,<lb/> Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt…<lb/> Zwar sind auch wir von Herzen unanständig,<lb/> Doch das Antike find’ ich zu lebendig;<lb/> Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern<lb/> Und mannichfaltig modisch überkleistern…<lb/> Ein widrig Volk! doch darf mich’s nicht verdrießen<lb/> Als neuer Gast anständig sie zu grüßen…<lb/> Glück zu! den schönen Frau’n, den klugen Greisen.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Greif</hi> </speaker> <stage>(schnarrend).</stage><lb/> <p>Nicht Greisen! Greifen! – Niemand hört es gern<lb/> Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt<lb/> Der Ursprung nach wo es sich her bedingt:<lb/> Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig,<lb/> Etymologisch gleicherweise stimmig,<lb/> Verstimmen uns.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Und doch, nicht abzuschweifen,</hi><lb/> Gefällt das <hi rendition="#g">Grei</hi> im Ehrentitel <hi rendition="#g">Greifen</hi>.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0128]
Und find’ ich hier das Seltsamste beisammen,
Durchforsch’ ich ernst dieß Labyrinth der Flammen.
(Entfernt sich.)
Mephistopheles (umherspürend).
Und wie ich diese Feuerchen durchschweife,
So find’ ich mich doch ganz und gar entfremdet,
Fast alles nackt, nur hie und da behemdet:
Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife,
Und was nicht alles, lockig und beflügelt,
Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt…
Zwar sind auch wir von Herzen unanständig,
Doch das Antike find’ ich zu lebendig;
Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern
Und mannichfaltig modisch überkleistern…
Ein widrig Volk! doch darf mich’s nicht verdrießen
Als neuer Gast anständig sie zu grüßen…
Glück zu! den schönen Frau’n, den klugen Greisen.
Greif (schnarrend).
Nicht Greisen! Greifen! – Niemand hört es gern
Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt
Der Ursprung nach wo es sich her bedingt:
Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig,
Etymologisch gleicherweise stimmig,
Verstimmen uns.
Mephistopheles.
Und doch, nicht abzuschweifen,
Gefällt das Grei im Ehrentitel Greifen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |