Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluthen Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen, Seht anerkennend hier den Schüler kommen, Entwachsen akademischen Ruthen. Ich find' euch noch wie ich euch sah; Ein Andrer bin ich wieder da. Mephistopheles. Mich freut daß ich euch hergeläutet. Ich schätzt' euch damals nicht gering; Die Raupe schon, die Chrysalide deutet Den künftigen bunten Schmetterling. Am Lockenkopf und Spitzenkragen Empfandet ihr ein kindliches Behagen. - Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? - Heut schau' ich euch im Schwedenkopf. Ganz resolut und wacker seht ihr aus, Kommt nur nicht absolut nach Haus. Baccalaureus. Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte; Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf Und sparet doppelsinnige Worte; Wir passen nun ganz anders auf. Ihr hänseltet den guten treuen Jungen; Das ist euch ohne Kunst gelungen, Was heut zu Tage niemand wagt. Mephistopheles. Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt, Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt, Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluthen Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen, Seht anerkennend hier den Schüler kommen, Entwachsen akademischen Ruthen. Ich find’ euch noch wie ich euch sah; Ein Andrer bin ich wieder da. Mephistopheles. Mich freut daß ich euch hergeläutet. Ich schätzt’ euch damals nicht gering; Die Raupe schon, die Chrysalide deutet Den künftigen bunten Schmetterling. Am Lockenkopf und Spitzenkragen Empfandet ihr ein kindliches Behagen. – Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? – Heut schau’ ich euch im Schwedenkopf. Ganz resolut und wacker seht ihr aus, Kommt nur nicht absolut nach Haus. Baccalaureus. Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte; Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf Und sparet doppelsinnige Worte; Wir passen nun ganz anders auf. Ihr hänseltet den guten treuen Jungen; Das ist euch ohne Kunst gelungen, Was heut zu Tage niemand wagt. Mephistopheles. Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt, Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt, <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <lg type="poem"> <pb facs="#f0111" n="99"/> <lg> <l>Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluthen</l><lb/> <l>Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen,</l><lb/> <l>Seht anerkennend hier den Schüler kommen,</l><lb/> <l>Entwachsen akademischen Ruthen.</l><lb/> <l>Ich find’ euch noch wie ich euch sah;</l><lb/> <l>Ein Andrer bin <hi rendition="#g">ich</hi> wieder da.</l><lb/> </lg> </lg> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Mich freut daß ich euch hergeläutet.<lb/> Ich schätzt’ euch damals nicht gering;<lb/> Die Raupe schon, die Chrysalide deutet<lb/> Den künftigen bunten Schmetterling.<lb/> Am Lockenkopf und Spitzenkragen<lb/> Empfandet ihr ein kindliches Behagen. –<lb/> Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? –<lb/> Heut schau’ ich euch im Schwedenkopf.<lb/> Ganz resolut und wacker seht ihr aus,<lb/> Kommt nur nicht absolut nach Haus.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Baccalaureus.</hi> </speaker><lb/> <p>Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte;<lb/> Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf<lb/> Und sparet doppelsinnige Worte;<lb/> Wir passen nun ganz anders auf.<lb/> Ihr hänseltet den guten treuen Jungen;<lb/> Das ist euch ohne Kunst gelungen,<lb/> Was heut zu Tage niemand wagt.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt,<lb/> Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0111]
Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluthen
Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen,
Seht anerkennend hier den Schüler kommen,
Entwachsen akademischen Ruthen.
Ich find’ euch noch wie ich euch sah;
Ein Andrer bin ich wieder da.
Mephistopheles.
Mich freut daß ich euch hergeläutet.
Ich schätzt’ euch damals nicht gering;
Die Raupe schon, die Chrysalide deutet
Den künftigen bunten Schmetterling.
Am Lockenkopf und Spitzenkragen
Empfandet ihr ein kindliches Behagen. –
Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? –
Heut schau’ ich euch im Schwedenkopf.
Ganz resolut und wacker seht ihr aus,
Kommt nur nicht absolut nach Haus.
Baccalaureus.
Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte;
Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf
Und sparet doppelsinnige Worte;
Wir passen nun ganz anders auf.
Ihr hänseltet den guten treuen Jungen;
Das ist euch ohne Kunst gelungen,
Was heut zu Tage niemand wagt.
Mephistopheles.
Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt,
Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt,
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/111>, abgerufen am 16.07.2024. |