Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
Vor denen jeder gern vorüber schleicht. Hier ist es Zeit durch Thaten zu beweisen, Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht, Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben, In der sich Phantasie zu eigner Quaal verdammt, Nach jenem Durchgang hinzustreben, Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt; Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen Und, wär' es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen. Nun komm herab, krystallne reine Schaale! Hervor aus deinem alten Futterale, An die ich viele Jahre nicht gedacht. Du glänztest bey der Väter Freudenfeste, Erheitertest die ernsten Gäste, Wenn einer dich dem andern zugebracht. Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht, Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären, Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren, Erinnert mich an manche Jugend-Nacht, Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen, Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen,
Vor denen jeder gern voruͤber ſchleicht. Hier iſt es Zeit durch Thaten zu beweiſen, Daß Mannes-Wuͤrde nicht der Goͤtterhoͤhe weicht, Vor jener dunkeln Hoͤhle nicht zu beben, In der ſich Phantaſie zu eigner Quaal verdammt, Nach jenem Durchgang hinzuſtreben, Um deſſen engen Mund die ganze Hoͤlle flammt; Zu dieſem Schritt ſich heiter zu entſchließen Und, waͤr’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen. Nun komm herab, kryſtallne reine Schaale! Hervor aus deinem alten Futterale, An die ich viele Jahre nicht gedacht. Du glaͤnzteſt bey der Vaͤter Freudenfeſte, Erheiterteſt die ernſten Gaͤſte, Wenn einer dich dem andern zugebracht. Der vielen Bilder kuͤnſtlich reiche Pracht, Des Trinkers Pflicht, ſie reimweis zu erklaͤren, Auf Einen Zug die Hoͤhlung auszuleeren, Erinnert mich an manche Jugend-Nacht, Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen, Ich werde meinen Witz an deiner Kunſt nicht zeigen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0058" n="52"/> Vor denen jeder gern voruͤber ſchleicht.<lb/> Hier iſt es Zeit durch Thaten zu beweiſen,<lb/> Daß Mannes-Wuͤrde nicht der Goͤtterhoͤhe weicht,<lb/> Vor jener dunkeln Hoͤhle nicht zu beben,<lb/> In der ſich Phantaſie zu eigner Quaal verdammt,<lb/> Nach jenem Durchgang hinzuſtreben,<lb/> Um deſſen engen Mund die ganze Hoͤlle flammt;<lb/> Zu dieſem Schritt ſich heiter zu entſchließen<lb/> Und, waͤr’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.</p><lb/> <p>Nun komm herab, kryſtallne reine Schaale!<lb/> Hervor aus deinem alten Futterale,<lb/> An die ich viele Jahre nicht gedacht.<lb/> Du glaͤnzteſt bey der Vaͤter Freudenfeſte,<lb/> Erheiterteſt die ernſten Gaͤſte,<lb/> Wenn einer dich dem andern zugebracht.<lb/> Der vielen Bilder kuͤnſtlich reiche Pracht,<lb/> Des Trinkers Pflicht, ſie reimweis zu erklaͤren,<lb/> Auf Einen Zug die Hoͤhlung auszuleeren,<lb/> Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,<lb/> Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,<lb/> Ich werde meinen Witz an deiner Kunſt nicht zeigen,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0058]
Vor denen jeder gern voruͤber ſchleicht.
Hier iſt es Zeit durch Thaten zu beweiſen,
Daß Mannes-Wuͤrde nicht der Goͤtterhoͤhe weicht,
Vor jener dunkeln Hoͤhle nicht zu beben,
In der ſich Phantaſie zu eigner Quaal verdammt,
Nach jenem Durchgang hinzuſtreben,
Um deſſen engen Mund die ganze Hoͤlle flammt;
Zu dieſem Schritt ſich heiter zu entſchließen
Und, waͤr’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.
Nun komm herab, kryſtallne reine Schaale!
Hervor aus deinem alten Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht.
Du glaͤnzteſt bey der Vaͤter Freudenfeſte,
Erheiterteſt die ernſten Gaͤſte,
Wenn einer dich dem andern zugebracht.
Der vielen Bilder kuͤnſtlich reiche Pracht,
Des Trinkers Pflicht, ſie reimweis zu erklaͤren,
Auf Einen Zug die Hoͤhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,
Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,
Ich werde meinen Witz an deiner Kunſt nicht zeigen,
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