Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.Sie hören nicht die folgenden Gesänge, Die Seelen, denen ich die ersten sang, Zerstoben ist das freundliche Gedränge, Verklungen ach! der erste Wiederklang. Mein Leid ertönt der unbekannten Menge, Ihr Beyfall selbst macht meinem Herzen bang, Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet, Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet. Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich, Es schwebet nun, in unbestimmten Tönen, Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich, Ein Schauer faßt mich, Thräne folgt den Thränen, Das strenge Herz es fühlt sich mild und weich; Was ich besitze seh' ich wie im weiten, Und was verschwand wird mir zu Wirklichkeiten. Sie hoͤren nicht die folgenden Geſaͤnge, Die Seelen, denen ich die erſten ſang, Zerſtoben iſt das freundliche Gedraͤnge, Verklungen ach! der erſte Wiederklang. Mein Leid ertoͤnt der unbekannten Menge, Ihr Beyfall ſelbſt macht meinem Herzen bang, Und was ſich ſonſt an meinem Lied erfreuet, Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerſtreuet. Und mich ergreift ein laͤngſt entwoͤhntes Sehnen Nach jenem ſtillen, ernſten Geiſterreich, Es ſchwebet nun, in unbeſtimmten Toͤnen, Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich, Ein Schauer faßt mich, Thraͤne folgt den Thraͤnen, Das ſtrenge Herz es fuͤhlt ſich mild und weich; Was ich beſitze ſeh’ ich wie im weiten, Und was verſchwand wird mir zu Wirklichkeiten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0012" n="6"/> <lg n="3"> <l>Sie hoͤren nicht die folgenden Geſaͤnge,</l><lb/> <l>Die Seelen, denen ich die erſten ſang,</l><lb/> <l>Zerſtoben iſt das freundliche Gedraͤnge,</l><lb/> <l>Verklungen ach! der erſte Wiederklang.</l><lb/> <l>Mein Leid ertoͤnt der unbekannten Menge,</l><lb/> <l>Ihr Beyfall ſelbſt macht meinem Herzen bang,</l><lb/> <l>Und was ſich ſonſt an meinem Lied erfreuet,</l><lb/> <l>Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerſtreuet.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und mich ergreift ein laͤngſt entwoͤhntes Sehnen</l><lb/> <l>Nach jenem ſtillen, ernſten Geiſterreich,</l><lb/> <l>Es ſchwebet nun, in unbeſtimmten Toͤnen,</l><lb/> <l>Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich,</l><lb/> <l>Ein Schauer faßt mich, Thraͤne folgt den Thraͤnen,</l><lb/> <l>Das ſtrenge Herz es fuͤhlt ſich mild und weich;</l><lb/> <l>Was ich beſitze ſeh’ ich wie im weiten,</l><lb/> <l>Und was verſchwand wird mir zu Wirklichkeiten.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [6/0012]
Sie hoͤren nicht die folgenden Geſaͤnge,
Die Seelen, denen ich die erſten ſang,
Zerſtoben iſt das freundliche Gedraͤnge,
Verklungen ach! der erſte Wiederklang.
Mein Leid ertoͤnt der unbekannten Menge,
Ihr Beyfall ſelbſt macht meinem Herzen bang,
Und was ſich ſonſt an meinem Lied erfreuet,
Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerſtreuet.
Und mich ergreift ein laͤngſt entwoͤhntes Sehnen
Nach jenem ſtillen, ernſten Geiſterreich,
Es ſchwebet nun, in unbeſtimmten Toͤnen,
Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich,
Ein Schauer faßt mich, Thraͤne folgt den Thraͤnen,
Das ſtrenge Herz es fuͤhlt ſich mild und weich;
Was ich beſitze ſeh’ ich wie im weiten,
Und was verſchwand wird mir zu Wirklichkeiten.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/12>, abgerufen am 16.07.2024. |