Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten! Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. Versuch' ich wohl euch diesmal fest zu halten? Fühl' ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert. Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, Und manche liebe Schatten steigen auf; Gleich einer alten, halbverklungnen Sage, Kommt erste Lieb' und Freundschaft mit herauf; Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Des Lebens labyrinthisch irren Lauf, Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden. Ihr naht euch wieder, ſchwankende Geſtalten! Die fruͤh ſich einſt dem truͤben Blick gezeigt. Verſuch’ ich wohl euch diesmal feſt zu halten? Fuͤhl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr draͤngt euch zu! nun gut, ſo moͤgt ihr walten, Wie ihr aus Dunſt und Nebel um mich ſteigt; Mein Buſen fuͤhlt ſich jugendlich erſchuͤttert Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert. Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, Und manche liebe Schatten ſteigen auf; Gleich einer alten, halbverklungnen Sage, Kommt erſte Lieb’ und Freundſchaft mit herauf; Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Des Lebens labyrinthiſch irren Lauf, Und nennt die Guten, die, um ſchoͤne Stunden Vom Gluͤck getaͤuſcht, vor mir hinweggeſchwunden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0011" n="[5]"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ihr naht euch wieder, ſchwankende Geſtalten!</l><lb/> <l>Die fruͤh ſich einſt dem truͤben Blick gezeigt.</l><lb/> <l>Verſuch’ ich wohl euch diesmal feſt zu halten?</l><lb/> <l>Fuͤhl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?</l><lb/> <l>Ihr draͤngt euch zu! nun gut, ſo moͤgt ihr walten,</l><lb/> <l>Wie ihr aus Dunſt und Nebel um mich ſteigt;</l><lb/> <l>Mein Buſen fuͤhlt ſich jugendlich erſchuͤttert</l><lb/> <l>Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,</l><lb/> <l>Und manche liebe Schatten ſteigen auf;</l><lb/> <l>Gleich einer alten, halbverklungnen Sage,</l><lb/> <l>Kommt erſte Lieb’ und Freundſchaft mit herauf;</l><lb/> <l>Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage</l><lb/> <l>Des Lebens labyrinthiſch irren Lauf,</l><lb/> <l>Und nennt die Guten, die, um ſchoͤne Stunden</l><lb/> <l>Vom Gluͤck getaͤuſcht, vor mir hinweggeſchwunden.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [[5]/0011]
Ihr naht euch wieder, ſchwankende Geſtalten!
Die fruͤh ſich einſt dem truͤben Blick gezeigt.
Verſuch’ ich wohl euch diesmal feſt zu halten?
Fuͤhl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?
Ihr draͤngt euch zu! nun gut, ſo moͤgt ihr walten,
Wie ihr aus Dunſt und Nebel um mich ſteigt;
Mein Buſen fuͤhlt ſich jugendlich erſchuͤttert
Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert.
Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,
Und manche liebe Schatten ſteigen auf;
Gleich einer alten, halbverklungnen Sage,
Kommt erſte Lieb’ und Freundſchaft mit herauf;
Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage
Des Lebens labyrinthiſch irren Lauf,
Und nennt die Guten, die, um ſchoͤne Stunden
Vom Gluͤck getaͤuſcht, vor mir hinweggeſchwunden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |