Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
Die blut'gen Lorbeern um die Schläfe windet, Den er, nach rasch durchras'tem Tanze, In eines Mädchens Armen findet. O wär' ich vor des hohen Geistes Kraft Entzückt, entseelt dahin gesunken! Mephistopheles. Und doch hat Jemand einen braunen Saft, In jener Nacht, nicht ausgetrunken. Faust. Das Spioniren, scheint's, ist deine Lust. Mephistopheles. Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt. Faust. Wenn aus dem schrecklichen Gewühle Ein süß bekannter Ton mich zog, Den Rest von kindlichem Gefühle Mit Anklang froher Zeit betrog; So fluch' ich allem was die Seele Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt, Und sie in diese Trauerhöle Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt! Verflucht voraus die hohe Meinung,
Die blut’gen Lorbeern um die Schlaͤfe windet, Den er, nach raſch durchraſ’tem Tanze, In eines Maͤdchens Armen findet. O waͤr’ ich vor des hohen Geiſtes Kraft Entzuͤckt, entſeelt dahin geſunken! Mephiſtopheles. Und doch hat Jemand einen braunen Saft, In jener Nacht, nicht ausgetrunken. Fauſt. Das Spioniren, ſcheint’s, iſt deine Luſt. Mephiſtopheles. Allwiſſend bin ich nicht; doch viel iſt mir bewußt. Fauſt. Wenn aus dem ſchrecklichen Gewuͤhle Ein ſuͤß bekannter Ton mich zog, Den Reſt von kindlichem Gefuͤhle Mit Anklang froher Zeit betrog; So fluch’ ich allem was die Seele Mit Lock- und Gaukelwerk umſpannt, Und ſie in dieſe Trauerhoͤle Mit Blend- und Schmeichelkraͤften bannt! Verflucht voraus die hohe Meinung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0106" n="100"/> Die blut’gen Lorbeern um die Schlaͤfe windet,<lb/> Den er, nach raſch durchraſ’tem Tanze,<lb/> In eines Maͤdchens Armen findet.<lb/> O waͤr’ ich vor des hohen Geiſtes Kraft<lb/> Entzuͤckt, entſeelt dahin geſunken!</p> </sp><lb/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>Und doch hat Jemand einen braunen Saft,<lb/> In jener Nacht, nicht ausgetrunken.</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>Das Spioniren, ſcheint’s, iſt deine Luſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>Allwiſſend bin ich nicht; doch viel iſt mir bewußt.</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>Wenn aus dem ſchrecklichen Gewuͤhle<lb/> Ein ſuͤß bekannter Ton mich zog,<lb/> Den Reſt von kindlichem Gefuͤhle<lb/> Mit Anklang froher Zeit betrog;<lb/> So fluch’ ich allem was die Seele<lb/> Mit Lock- und Gaukelwerk umſpannt,<lb/> Und ſie in dieſe Trauerhoͤle<lb/> Mit Blend- und Schmeichelkraͤften bannt!<lb/> Verflucht voraus die hohe Meinung,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0106]
Die blut’gen Lorbeern um die Schlaͤfe windet,
Den er, nach raſch durchraſ’tem Tanze,
In eines Maͤdchens Armen findet.
O waͤr’ ich vor des hohen Geiſtes Kraft
Entzuͤckt, entſeelt dahin geſunken!
Mephiſtopheles.
Und doch hat Jemand einen braunen Saft,
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
Fauſt.
Das Spioniren, ſcheint’s, iſt deine Luſt.
Mephiſtopheles.
Allwiſſend bin ich nicht; doch viel iſt mir bewußt.
Fauſt.
Wenn aus dem ſchrecklichen Gewuͤhle
Ein ſuͤß bekannter Ton mich zog,
Den Reſt von kindlichem Gefuͤhle
Mit Anklang froher Zeit betrog;
So fluch’ ich allem was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umſpannt,
Und ſie in dieſe Trauerhoͤle
Mit Blend- und Schmeichelkraͤften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung,
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/106>, abgerufen am 15.08.2024. |