Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.Wir werden, hoff' ich, uns vertragen; Denn dir die Grillen zu verjagen Bin ich, als edler Junker, hier, In rothem goldverbrämten Kleide, Das Mäntelchen von starrer Seide, Die Hahnenfeder auf dem Hut, Mit einem langen, spitzen Degen, Und rathe nun dir, kurz und gut, Dergleichen gleichfalls anzulegen; Damit du, losgebunden, frey, Erfahrest was das Leben sey. Faust. In jedem Kleide werd' ich wohl die Pein Des engen Erdelebens fühlen. Ich bin zu alt, um nur zu spielen, Zu jung, um ohne Wunsch zu seyn. Was kann die Welt mir wohl gewähren? Entbehren sollst du! sollst entbehren! Das ist der ewige Gesang, Der jedem an die Ohren klingt, Den, unser ganzes Leben lang, Uns heiser jede Stunde singt. Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen; Denn dir die Grillen zu verjagen Bin ich, als edler Junker, hier, In rothem goldverbraͤmten Kleide, Das Maͤntelchen von ſtarrer Seide, Die Hahnenfeder auf dem Hut, Mit einem langen, ſpitzen Degen, Und rathe nun dir, kurz und gut, Dergleichen gleichfalls anzulegen; Damit du, losgebunden, frey, Erfahreſt was das Leben ſey. Fauſt. In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein Des engen Erdelebens fuͤhlen. Ich bin zu alt, um nur zu ſpielen, Zu jung, um ohne Wunſch zu ſeyn. Was kann die Welt mir wohl gewaͤhren? Entbehren ſollſt du! ſollſt entbehren! Das iſt der ewige Geſang, Der jedem an die Ohren klingt, Den, unſer ganzes Leben lang, Uns heiſer jede Stunde ſingt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MEP"> <pb facs="#f0104" n="98"/> <p>Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;<lb/> Denn dir die Grillen zu verjagen<lb/> Bin ich, als edler Junker, hier,<lb/> In rothem goldverbraͤmten Kleide,<lb/> Das Maͤntelchen von ſtarrer Seide,<lb/> Die Hahnenfeder auf dem Hut,<lb/> Mit einem langen, ſpitzen Degen,<lb/> Und rathe nun dir, kurz und gut,<lb/> Dergleichen gleichfalls anzulegen;<lb/> Damit du, losgebunden, frey,<lb/> Erfahreſt was das Leben ſey.</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein<lb/> Des engen Erdelebens fuͤhlen.<lb/> Ich bin zu alt, um nur zu ſpielen,<lb/> Zu jung, um ohne Wunſch zu ſeyn.<lb/> Was kann die Welt mir wohl gewaͤhren?<lb/> Entbehren ſollſt du! ſollſt entbehren!<lb/> Das iſt der ewige Geſang,<lb/> Der jedem an die Ohren klingt,<lb/> Den, unſer ganzes Leben lang,<lb/> Uns heiſer jede Stunde ſingt.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0104]
Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen
Bin ich, als edler Junker, hier,
In rothem goldverbraͤmten Kleide,
Das Maͤntelchen von ſtarrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, ſpitzen Degen,
Und rathe nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frey,
Erfahreſt was das Leben ſey.
Fauſt.
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fuͤhlen.
Ich bin zu alt, um nur zu ſpielen,
Zu jung, um ohne Wunſch zu ſeyn.
Was kann die Welt mir wohl gewaͤhren?
Entbehren ſollſt du! ſollſt entbehren!
Das iſt der ewige Geſang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unſer ganzes Leben lang,
Uns heiſer jede Stunde ſingt.
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