Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

sem Falle anerkennen. In gelehrten Zeitungen, Journalen,
Wörterbüchern und Compendien sah man stolzmitleidig
auf mich herab, und keiner von der Gilde trug Beden-
ken, den Unsinn nochmals abdrucken zu lassen, den man
nun fast hundert Jahre als Glaubensbekenntniß wie-
derholte. Mit mehr oder weniger dunkelhafter Selbst-
gefälligkeit betrugen sich Green in Halle, die gothai-
schen gelehrten Zeitungen, die allgemeine jenaische Li-
teraturzeitung, Gehler und besonders Fischer, in ihren
physikalischen Wörterbüchern. Die göttingischen ge-
lehrten Anzeigen, ihrer Aufschrift getreu, zeigten meine
Bemühungen auf eine Weise an, um sie sogleich auf
ewig vergessen zu machen.

Ich gab, ohne mich hierdurch weiter rühren zu
lassen, das zweyte Stück meiner Beyträge heraus,
welches die subjectiven Versuche mit bunten Papieren
enthält, die mir um so wichtiger waren als dadurch
für Jeden, der nur einigermaßen in die Sache hätte
sehen wollen, der erste Versuch der Newtonischen Op-
tik vollkommen enthüllt und dem Baum die Axt an
die Wurzel gelegt wurde. Ich fügte die Abbildung
des großen Wasserprismas hinzu, die ich auch wieder
unter die Tafeln des gegenwärtigen Werkes aufgenom-
men habe. Es geschah damals, weil ich zu den ob-
jectiven Versuchen übergehen und die Natur aus der
dunklen Kammer und von den winzigen Prismen zu
befreyen dachte.

Da ich in dem Wahn stand, denen die sich mit

ſem Falle anerkennen. In gelehrten Zeitungen, Journalen,
Woͤrterbuͤchern und Compendien ſah man ſtolzmitleidig
auf mich herab, und keiner von der Gilde trug Beden-
ken, den Unſinn nochmals abdrucken zu laſſen, den man
nun faſt hundert Jahre als Glaubensbekenntniß wie-
derholte. Mit mehr oder weniger dunkelhafter Selbſt-
gefaͤlligkeit betrugen ſich Green in Halle, die gothai-
ſchen gelehrten Zeitungen, die allgemeine jenaiſche Li-
teraturzeitung, Gehler und beſonders Fiſcher, in ihren
phyſikaliſchen Woͤrterbuͤchern. Die goͤttingiſchen ge-
lehrten Anzeigen, ihrer Aufſchrift getreu, zeigten meine
Bemuͤhungen auf eine Weiſe an, um ſie ſogleich auf
ewig vergeſſen zu machen.

Ich gab, ohne mich hierdurch weiter ruͤhren zu
laſſen, das zweyte Stuͤck meiner Beytraͤge heraus,
welches die ſubjectiven Verſuche mit bunten Papieren
enthaͤlt, die mir um ſo wichtiger waren als dadurch
fuͤr Jeden, der nur einigermaßen in die Sache haͤtte
ſehen wollen, der erſte Verſuch der Newtoniſchen Op-
tik vollkommen enthuͤllt und dem Baum die Axt an
die Wurzel gelegt wurde. Ich fuͤgte die Abbildung
des großen Waſſerprismas hinzu, die ich auch wieder
unter die Tafeln des gegenwaͤrtigen Werkes aufgenom-
men habe. Es geſchah damals, weil ich zu den ob-
jectiven Verſuchen uͤbergehen und die Natur aus der
dunklen Kammer und von den winzigen Prismen zu
befreyen dachte.

Da ich in dem Wahn ſtand, denen die ſich mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0721" n="687"/>
&#x017F;em Falle anerkennen. In gelehrten Zeitungen, Journalen,<lb/>
Wo&#x0364;rterbu&#x0364;chern und Compendien &#x017F;ah man &#x017F;tolzmitleidig<lb/>
auf mich herab, und keiner von der Gilde trug Beden-<lb/>
ken, den Un&#x017F;inn nochmals abdrucken zu la&#x017F;&#x017F;en, den man<lb/>
nun fa&#x017F;t hundert Jahre als Glaubensbekenntniß wie-<lb/>
derholte. Mit mehr oder weniger dunkelhafter Selb&#x017F;t-<lb/>
gefa&#x0364;lligkeit betrugen &#x017F;ich Green in Halle, die gothai-<lb/>
&#x017F;chen gelehrten Zeitungen, die allgemeine jenai&#x017F;che Li-<lb/>
teraturzeitung, Gehler und be&#x017F;onders Fi&#x017F;cher, in ihren<lb/>
phy&#x017F;ikali&#x017F;chen Wo&#x0364;rterbu&#x0364;chern. Die go&#x0364;ttingi&#x017F;chen ge-<lb/>
lehrten Anzeigen, ihrer Auf&#x017F;chrift getreu, zeigten meine<lb/>
Bemu&#x0364;hungen auf eine Wei&#x017F;e an, um &#x017F;ie &#x017F;ogleich auf<lb/>
ewig verge&#x017F;&#x017F;en zu machen.</p><lb/>
            <p>Ich gab, ohne mich hierdurch weiter ru&#x0364;hren zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, das zweyte Stu&#x0364;ck meiner Beytra&#x0364;ge heraus,<lb/>
welches die &#x017F;ubjectiven Ver&#x017F;uche mit bunten Papieren<lb/>
entha&#x0364;lt, die mir um &#x017F;o wichtiger waren als dadurch<lb/>
fu&#x0364;r Jeden, der nur einigermaßen in die Sache ha&#x0364;tte<lb/>
&#x017F;ehen wollen, der er&#x017F;te Ver&#x017F;uch der Newtoni&#x017F;chen Op-<lb/>
tik vollkommen enthu&#x0364;llt und dem Baum die Axt an<lb/>
die Wurzel gelegt wurde. Ich fu&#x0364;gte die Abbildung<lb/>
des großen Wa&#x017F;&#x017F;erprismas hinzu, die ich auch wieder<lb/>
unter die Tafeln des gegenwa&#x0364;rtigen Werkes aufgenom-<lb/>
men habe. Es ge&#x017F;chah damals, weil ich zu den ob-<lb/>
jectiven Ver&#x017F;uchen u&#x0364;bergehen und die Natur aus der<lb/>
dunklen Kammer und von den winzigen Prismen zu<lb/>
befreyen dachte.</p><lb/>
            <p>Da ich in dem Wahn &#x017F;tand, denen die &#x017F;ich mit<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[687/0721] ſem Falle anerkennen. In gelehrten Zeitungen, Journalen, Woͤrterbuͤchern und Compendien ſah man ſtolzmitleidig auf mich herab, und keiner von der Gilde trug Beden- ken, den Unſinn nochmals abdrucken zu laſſen, den man nun faſt hundert Jahre als Glaubensbekenntniß wie- derholte. Mit mehr oder weniger dunkelhafter Selbſt- gefaͤlligkeit betrugen ſich Green in Halle, die gothai- ſchen gelehrten Zeitungen, die allgemeine jenaiſche Li- teraturzeitung, Gehler und beſonders Fiſcher, in ihren phyſikaliſchen Woͤrterbuͤchern. Die goͤttingiſchen ge- lehrten Anzeigen, ihrer Aufſchrift getreu, zeigten meine Bemuͤhungen auf eine Weiſe an, um ſie ſogleich auf ewig vergeſſen zu machen. Ich gab, ohne mich hierdurch weiter ruͤhren zu laſſen, das zweyte Stuͤck meiner Beytraͤge heraus, welches die ſubjectiven Verſuche mit bunten Papieren enthaͤlt, die mir um ſo wichtiger waren als dadurch fuͤr Jeden, der nur einigermaßen in die Sache haͤtte ſehen wollen, der erſte Verſuch der Newtoniſchen Op- tik vollkommen enthuͤllt und dem Baum die Axt an die Wurzel gelegt wurde. Ich fuͤgte die Abbildung des großen Waſſerprismas hinzu, die ich auch wieder unter die Tafeln des gegenwaͤrtigen Werkes aufgenom- men habe. Es geſchah damals, weil ich zu den ob- jectiven Verſuchen uͤbergehen und die Natur aus der dunklen Kammer und von den winzigen Prismen zu befreyen dachte. Da ich in dem Wahn ſtand, denen die ſich mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/721
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/721>, abgerufen am 22.11.2024.