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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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mit durchscheinender Farbe überzogen, wodurch eine
sehr erfreuliche Wirkung hervorgebracht wurde, ob man
es gleich von einem auf die gewöhnliche Weise gemalten
Bilde nicht unterscheiden konnte -- Angelika gab mir
Beyfall und versprach eine kleine Landschaft ohne Blau
zu malen. Sie hielt Wort und es entsprang ein sehr
hübsches harmonisches Bild, etwa in der Art wie ein
Akyanobleps die Welt sehen würde; wobey ich jedoch
nicht läugnen will, daß sie ein Schwarz anwendete,
welches nach dem Blauen hinzog. Wahrscheinlich fin-
det sich dieses Bild in den Händen irgend eines Liebha-
bers, für den es durch diese Anekdote noch mehr Werth
erhält.

Daß hierdurch nichts ausgemacht wurde, ja viel-
mehr die Sache in einen geselligen Scherz ablief, war
ganz natürlich. Indessen versäumte ich nicht, die
Herrlichkeit der atmosphärischen Farben zu betrachten,
wobey sich die entschiedenste Stufenfolge der Luftper-
spective, die Bläue der Ferne so wie naher Schatten,
auffallend bemerken ließ. Beym Scirocco-Himmel,
bey den purpurnen Sonnenuntergängen waren die schön-
sten meergrünen Schatten zu sehen, denen ich um so
mehr Aufmerksamkeit schenkte, als ich schon in der ersten
Jugend bey frühem Studiren, wenn der Tag gegen
das angezündete Licht heranwuchs, diesem Phänomen
meine Bewunderung nicht entziehen konnte. Doch
wurden alle diese Beobachtungen nur gelegentlich ange-
stellt, durch soviel andres mannigfaltiges Interesse zer-
streut und verdrängt, so daß ich meine Rückreise unter-

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mit durchſcheinender Farbe uͤberzogen, wodurch eine
ſehr erfreuliche Wirkung hervorgebracht wurde, ob man
es gleich von einem auf die gewoͤhnliche Weiſe gemalten
Bilde nicht unterſcheiden konnte — Angelika gab mir
Beyfall und verſprach eine kleine Landſchaft ohne Blau
zu malen. Sie hielt Wort und es entſprang ein ſehr
huͤbſches harmoniſches Bild, etwa in der Art wie ein
Akyanobleps die Welt ſehen wuͤrde; wobey ich jedoch
nicht laͤugnen will, daß ſie ein Schwarz anwendete,
welches nach dem Blauen hinzog. Wahrſcheinlich fin-
det ſich dieſes Bild in den Haͤnden irgend eines Liebha-
bers, fuͤr den es durch dieſe Anekdote noch mehr Werth
erhaͤlt.

Daß hierdurch nichts ausgemacht wurde, ja viel-
mehr die Sache in einen geſelligen Scherz ablief, war
ganz natuͤrlich. Indeſſen verſaͤumte ich nicht, die
Herrlichkeit der atmoſphaͤriſchen Farben zu betrachten,
wobey ſich die entſchiedenſte Stufenfolge der Luftper-
ſpective, die Blaͤue der Ferne ſo wie naher Schatten,
auffallend bemerken ließ. Beym Scirocco-Himmel,
bey den purpurnen Sonnenuntergaͤngen waren die ſchoͤn-
ſten meergruͤnen Schatten zu ſehen, denen ich um ſo
mehr Aufmerkſamkeit ſchenkte, als ich ſchon in der erſten
Jugend bey fruͤhem Studiren, wenn der Tag gegen
das angezuͤndete Licht heranwuchs, dieſem Phaͤnomen
meine Bewunderung nicht entziehen konnte. Doch
wurden alle dieſe Beobachtungen nur gelegentlich ange-
ſtellt, durch ſoviel andres mannigfaltiges Intereſſe zer-
ſtreut und verdraͤngt, ſo daß ich meine Ruͤckreiſe unter-

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[673/0707] mit durchſcheinender Farbe uͤberzogen, wodurch eine ſehr erfreuliche Wirkung hervorgebracht wurde, ob man es gleich von einem auf die gewoͤhnliche Weiſe gemalten Bilde nicht unterſcheiden konnte — Angelika gab mir Beyfall und verſprach eine kleine Landſchaft ohne Blau zu malen. Sie hielt Wort und es entſprang ein ſehr huͤbſches harmoniſches Bild, etwa in der Art wie ein Akyanobleps die Welt ſehen wuͤrde; wobey ich jedoch nicht laͤugnen will, daß ſie ein Schwarz anwendete, welches nach dem Blauen hinzog. Wahrſcheinlich fin- det ſich dieſes Bild in den Haͤnden irgend eines Liebha- bers, fuͤr den es durch dieſe Anekdote noch mehr Werth erhaͤlt. Daß hierdurch nichts ausgemacht wurde, ja viel- mehr die Sache in einen geſelligen Scherz ablief, war ganz natuͤrlich. Indeſſen verſaͤumte ich nicht, die Herrlichkeit der atmoſphaͤriſchen Farben zu betrachten, wobey ſich die entſchiedenſte Stufenfolge der Luftper- ſpective, die Blaͤue der Ferne ſo wie naher Schatten, auffallend bemerken ließ. Beym Scirocco-Himmel, bey den purpurnen Sonnenuntergaͤngen waren die ſchoͤn- ſten meergruͤnen Schatten zu ſehen, denen ich um ſo mehr Aufmerkſamkeit ſchenkte, als ich ſchon in der erſten Jugend bey fruͤhem Studiren, wenn der Tag gegen das angezuͤndete Licht heranwuchs, dieſem Phaͤnomen meine Bewunderung nicht entziehen konnte. Doch wurden alle dieſe Beobachtungen nur gelegentlich ange- ſtellt, durch ſoviel andres mannigfaltiges Intereſſe zer- ſtreut und verdraͤngt, ſo daß ich meine Ruͤckreiſe unter- II. 43

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/707>, abgerufen am 22.11.2024.