Da uns, wenn wir an irgend einem Geschehenen Theil nehmen, nichts willkommener seyn kann, als daß Personen welche mitgewirkt, uns die besondern Um- stände offenbaren mögen, wie dieses oder jenes Ereig- niß seinen Ursprung genommen, und dieß sowohl von der politischen als wissenschaftlichen Geschichte gilt; auch in beyden nichts so klein geachtet werden mag, das nicht irgend einem Nachkommenden einmal bedeu- tend seyn könnte: so habe ich nicht unterlassen wollen, nachdem ich dem Lebensgange so mancher andern nach- gespürt, gleichfalls aufzuzeichnen, wie ich zu diesen phy- sischen und besonders chromatischen Untersuchungen ge- langt bin; welches um so mehr erwartet werden darf, weil eine solche Beschäftigung schon Manchem als mei- nem übrigen Lebensgange fremd erschienen ist.
Die Menge mag wohl Jemanden irgend ein Ta- lent zugestehen, worin er sich thätig bewiesen und wo- bey das Glück sich ihm nicht abhold gezeigt; will er aber in ein andres Fach übergehen und seine Künste vervielfältigen, so scheint es als wenn er die Rechte verletze, die er einmal der öffentlichen Meynung über sich eingeräumt, und es werden daher seine Bemühun- gen in einer neuen Region selten freundlich und gefällig aufgenommen.
Hierin kann die Menge wohl einigermaßen Recht
Confeſſion des Verfaſſers.
Da uns, wenn wir an irgend einem Geſchehenen Theil nehmen, nichts willkommener ſeyn kann, als daß Perſonen welche mitgewirkt, uns die beſondern Um- ſtaͤnde offenbaren moͤgen, wie dieſes oder jenes Ereig- niß ſeinen Urſprung genommen, und dieß ſowohl von der politiſchen als wiſſenſchaftlichen Geſchichte gilt; auch in beyden nichts ſo klein geachtet werden mag, das nicht irgend einem Nachkommenden einmal bedeu- tend ſeyn koͤnnte: ſo habe ich nicht unterlaſſen wollen, nachdem ich dem Lebensgange ſo mancher andern nach- geſpuͤrt, gleichfalls aufzuzeichnen, wie ich zu dieſen phy- ſiſchen und beſonders chromatiſchen Unterſuchungen ge- langt bin; welches um ſo mehr erwartet werden darf, weil eine ſolche Beſchaͤftigung ſchon Manchem als mei- nem uͤbrigen Lebensgange fremd erſchienen iſt.
Die Menge mag wohl Jemanden irgend ein Ta- lent zugeſtehen, worin er ſich thaͤtig bewieſen und wo- bey das Gluͤck ſich ihm nicht abhold gezeigt; will er aber in ein andres Fach uͤbergehen und ſeine Kuͤnſte vervielfaͤltigen, ſo ſcheint es als wenn er die Rechte verletze, die er einmal der oͤffentlichen Meynung uͤber ſich eingeraͤumt, und es werden daher ſeine Bemuͤhun- gen in einer neuen Region ſelten freundlich und gefaͤllig aufgenommen.
Hierin kann die Menge wohl einigermaßen Recht
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Confeſſion des Verfaſſers.
Da uns, wenn wir an irgend einem Geſchehenen
Theil nehmen, nichts willkommener ſeyn kann, als daß
Perſonen welche mitgewirkt, uns die beſondern Um-
ſtaͤnde offenbaren moͤgen, wie dieſes oder jenes Ereig-
niß ſeinen Urſprung genommen, und dieß ſowohl von
der politiſchen als wiſſenſchaftlichen Geſchichte gilt;
auch in beyden nichts ſo klein geachtet werden mag,
das nicht irgend einem Nachkommenden einmal bedeu-
tend ſeyn koͤnnte: ſo habe ich nicht unterlaſſen wollen,
nachdem ich dem Lebensgange ſo mancher andern nach-
geſpuͤrt, gleichfalls aufzuzeichnen, wie ich zu dieſen phy-
ſiſchen und beſonders chromatiſchen Unterſuchungen ge-
langt bin; welches um ſo mehr erwartet werden darf,
weil eine ſolche Beſchaͤftigung ſchon Manchem als mei-
nem uͤbrigen Lebensgange fremd erſchienen iſt.
Die Menge mag wohl Jemanden irgend ein Ta-
lent zugeſtehen, worin er ſich thaͤtig bewieſen und wo-
bey das Gluͤck ſich ihm nicht abhold gezeigt; will er
aber in ein andres Fach uͤbergehen und ſeine Kuͤnſte
vervielfaͤltigen, ſo ſcheint es als wenn er die Rechte
verletze, die er einmal der oͤffentlichen Meynung uͤber
ſich eingeraͤumt, und es werden daher ſeine Bemuͤhun-
gen in einer neuen Region ſelten freundlich und gefaͤllig
aufgenommen.
Hierin kann die Menge wohl einigermaßen Recht
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/700>, abgerufen am 22.11.2024.
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