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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Brechungen. Eine Flüssigkeit, in welcher Theile der
Salzsäure mit metallischen in gehörigem Verhältniß
stehn, trennt die äußersten Strahlen des Spectrums
weit mehr als Crownglas, bricht aber alle Reihen der
Strahlen genau in demselben Verhältniß, wie dieß Glas
thut; und daher können die Strahlen aller Farben,
welche durch die Brechung des Glases divergent gewor-
den, wieder parallel werden, entweder durch eine fol-
gende Refraction auf der Gränze des Glases und ge-
dachter Flüssigkeit, oder indem die brechende Dichtigkeit
derselben geschwächt wird. Die Brechung, welche an
der Gränze derselben und des Glases statt findet, kann
so regelmäßig, als wäre es Reflexion, gemacht werden,
indessen die Mängel, welche von unvermeidlicher Un-
vollkommenheit des Schleifens entspringen müssen, hier
viel weniger anstößig sind als bey der Reflexion, und
die Masse Licht, welche durch gleiche Oeffnung der Te-
lescope durchfällt, viel größer ist."

XIII. "Dieses sind die Vortheile, welche unsere
Entdeckung anbietet. In der Ausführung mußte man
beym ersten Angreifen der Sache mancherley Schwierig-
keiten erwarten und deren manche überwinden, ehe die
Erfahrungen vollständig wirken konnten. Denn zur Ge-
nauigkeit der Beobachtungen gehört, daß die Objectiv-
gläser sehr sorgfältig gearbeitet werden, indem die
Phänomene viel auffallender sind, wenn die vergrö-
ßernden Kräfte wachsen. Die Mathematiker haben sich
viel Mühe zu geringem Zwecke gegeben, indem sie die
Radien der Sphären ausrechneten, welche zu achro-

Brechungen. Eine Fluͤſſigkeit, in welcher Theile der
Salzſaͤure mit metalliſchen in gehoͤrigem Verhaͤltniß
ſtehn, trennt die aͤußerſten Strahlen des Spectrums
weit mehr als Crownglas, bricht aber alle Reihen der
Strahlen genau in demſelben Verhaͤltniß, wie dieß Glas
thut; und daher koͤnnen die Strahlen aller Farben,
welche durch die Brechung des Glaſes divergent gewor-
den, wieder parallel werden, entweder durch eine fol-
gende Refraction auf der Graͤnze des Glaſes und ge-
dachter Fluͤſſigkeit, oder indem die brechende Dichtigkeit
derſelben geſchwaͤcht wird. Die Brechung, welche an
der Graͤnze derſelben und des Glaſes ſtatt findet, kann
ſo regelmaͤßig, als waͤre es Reflexion, gemacht werden,
indeſſen die Maͤngel, welche von unvermeidlicher Un-
vollkommenheit des Schleifens entſpringen muͤſſen, hier
viel weniger anſtoͤßig ſind als bey der Reflexion, und
die Maſſe Licht, welche durch gleiche Oeffnung der Te-
leſcope durchfaͤllt, viel groͤßer iſt.“

XIII. „Dieſes ſind die Vortheile, welche unſere
Entdeckung anbietet. In der Ausfuͤhrung mußte man
beym erſten Angreifen der Sache mancherley Schwierig-
keiten erwarten und deren manche uͤberwinden, ehe die
Erfahrungen vollſtaͤndig wirken konnten. Denn zur Ge-
nauigkeit der Beobachtungen gehoͤrt, daß die Objectiv-
glaͤſer ſehr ſorgfaͤltig gearbeitet werden, indem die
Phaͤnomene viel auffallender ſind, wenn die vergroͤ-
ßernden Kraͤfte wachſen. Die Mathematiker haben ſich
viel Muͤhe zu geringem Zwecke gegeben, indem ſie die
Radien der Sphaͤren ausrechneten, welche zu achro-

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[653/0687] Brechungen. Eine Fluͤſſigkeit, in welcher Theile der Salzſaͤure mit metalliſchen in gehoͤrigem Verhaͤltniß ſtehn, trennt die aͤußerſten Strahlen des Spectrums weit mehr als Crownglas, bricht aber alle Reihen der Strahlen genau in demſelben Verhaͤltniß, wie dieß Glas thut; und daher koͤnnen die Strahlen aller Farben, welche durch die Brechung des Glaſes divergent gewor- den, wieder parallel werden, entweder durch eine fol- gende Refraction auf der Graͤnze des Glaſes und ge- dachter Fluͤſſigkeit, oder indem die brechende Dichtigkeit derſelben geſchwaͤcht wird. Die Brechung, welche an der Graͤnze derſelben und des Glaſes ſtatt findet, kann ſo regelmaͤßig, als waͤre es Reflexion, gemacht werden, indeſſen die Maͤngel, welche von unvermeidlicher Un- vollkommenheit des Schleifens entſpringen muͤſſen, hier viel weniger anſtoͤßig ſind als bey der Reflexion, und die Maſſe Licht, welche durch gleiche Oeffnung der Te- leſcope durchfaͤllt, viel groͤßer iſt.“ XIII. „Dieſes ſind die Vortheile, welche unſere Entdeckung anbietet. In der Ausfuͤhrung mußte man beym erſten Angreifen der Sache mancherley Schwierig- keiten erwarten und deren manche uͤberwinden, ehe die Erfahrungen vollſtaͤndig wirken konnten. Denn zur Ge- nauigkeit der Beobachtungen gehoͤrt, daß die Objectiv- glaͤſer ſehr ſorgfaͤltig gearbeitet werden, indem die Phaͤnomene viel auffallender ſind, wenn die vergroͤ- ßernden Kraͤfte wachſen. Die Mathematiker haben ſich viel Muͤhe zu geringem Zwecke gegeben, indem ſie die Radien der Sphaͤren ausrechneten, welche zu achro-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/687>, abgerufen am 22.11.2024.