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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Aufsatz, wie man der Newtonischen Lehre durch che-
mische Hülfstruppen in jener Zeit wieder beygestanden.
Man hatte eine latente Wärme ausgemittelt, warum
sollte es nicht auch ein latentes Licht geben? und war-
um sollten die, nach der Theorie, dem Licht ange-
hörigen farbigen Lichter nicht auch der Reihe nach Ver-
steckens spielen, und wenn es den gelben beliebte her-
vorzugucken, warum sollten die übrigen nicht neckisch
im Hinterhalte lauschen können?

Zwey merkwürdige, unserer Ueberzeugung günstige
Stellen aus gedachtem Aufsatz jedoch, wovon wir die
eine schon früher angeführt (E. 584.), mögen hier
Platz nehmen:

"Ich bemerke hier im Vorbeygehen, daß vielleicht
die Lehre von den Farben eben deswegen bisher so
viele Schwierigkeiten hatte, weil alles auf Einem Wege,
z. B. Brechung, erklärt werden sollte."

Wir haben oft genug wiederholt, daß alles auf
den Weg ankommt, auf welchem man zu einer Wis-
senschaft gelangt. Newton gieng von einem Phäno-
men der Brechung aus, von einem abgeleiteten Com-
plicirten. Dadurch ward Brechung das Hauptaugen-
merk, das Hauptkunstwort, und was bey einem ein-
zelnen Falle vorgieng, die Grundregel, das Grund-
gesetz fürs Allgemeine. Hatte man hier mehrere, ja
unzählige Grundfarben angenommen; so bedurften die
welche von der Malerey und Färberey herkamen, nur

Aufſatz, wie man der Newtoniſchen Lehre durch che-
miſche Huͤlfstruppen in jener Zeit wieder beygeſtanden.
Man hatte eine latente Waͤrme ausgemittelt, warum
ſollte es nicht auch ein latentes Licht geben? und war-
um ſollten die, nach der Theorie, dem Licht ange-
hoͤrigen farbigen Lichter nicht auch der Reihe nach Ver-
ſteckens ſpielen, und wenn es den gelben beliebte her-
vorzugucken, warum ſollten die uͤbrigen nicht neckiſch
im Hinterhalte lauſchen koͤnnen?

Zwey merkwuͤrdige, unſerer Ueberzeugung guͤnſtige
Stellen aus gedachtem Aufſatz jedoch, wovon wir die
eine ſchon fruͤher angefuͤhrt (E. 584.), moͤgen hier
Platz nehmen:

„Ich bemerke hier im Vorbeygehen, daß vielleicht
die Lehre von den Farben eben deswegen bisher ſo
viele Schwierigkeiten hatte, weil alles auf Einem Wege,
z. B. Brechung, erklaͤrt werden ſollte.“

Wir haben oft genug wiederholt, daß alles auf
den Weg ankommt, auf welchem man zu einer Wiſ-
ſenſchaft gelangt. Newton gieng von einem Phaͤno-
men der Brechung aus, von einem abgeleiteten Com-
plicirten. Dadurch ward Brechung das Hauptaugen-
merk, das Hauptkunſtwort, und was bey einem ein-
zelnen Falle vorgieng, die Grundregel, das Grund-
geſetz fuͤrs Allgemeine. Hatte man hier mehrere, ja
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[637/0671] Aufſatz, wie man der Newtoniſchen Lehre durch che- miſche Huͤlfstruppen in jener Zeit wieder beygeſtanden. Man hatte eine latente Waͤrme ausgemittelt, warum ſollte es nicht auch ein latentes Licht geben? und war- um ſollten die, nach der Theorie, dem Licht ange- hoͤrigen farbigen Lichter nicht auch der Reihe nach Ver- ſteckens ſpielen, und wenn es den gelben beliebte her- vorzugucken, warum ſollten die uͤbrigen nicht neckiſch im Hinterhalte lauſchen koͤnnen? Zwey merkwuͤrdige, unſerer Ueberzeugung guͤnſtige Stellen aus gedachtem Aufſatz jedoch, wovon wir die eine ſchon fruͤher angefuͤhrt (E. 584.), moͤgen hier Platz nehmen: „Ich bemerke hier im Vorbeygehen, daß vielleicht die Lehre von den Farben eben deswegen bisher ſo viele Schwierigkeiten hatte, weil alles auf Einem Wege, z. B. Brechung, erklaͤrt werden ſollte.“ Wir haben oft genug wiederholt, daß alles auf den Weg ankommt, auf welchem man zu einer Wiſ- ſenſchaft gelangt. Newton gieng von einem Phaͤno- men der Brechung aus, von einem abgeleiteten Com- plicirten. Dadurch ward Brechung das Hauptaugen- merk, das Hauptkunſtwort, und was bey einem ein- zelnen Falle vorgieng, die Grundregel, das Grund- geſetz fuͤrs Allgemeine. Hatte man hier mehrere, ja unzaͤhlige Grundfarben angenommen; ſo bedurften die welche von der Malerey und Faͤrberey herkamen, nur

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/671>, abgerufen am 22.11.2024.