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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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hierbey eine Bemerkung äußern, welche wohl verdien-
te gesperrt gedruckt zu werden; daß nämlich auf eine
solche Weise, wie von beyden Männern hier gesche-
hen, alle Erfahrungswissenschaft vernichtet werden kön-
ne: denn weil nichts was uns in der Erfahrung er-
scheint, absolut angesprochen und ausgesprochen werden
kann, sondern immer noch eine limitirende Bedingung
mit sich führt, so daß wir Schwarz nicht Schwarz,
Weiß nicht Weiß nennen dürften, in sofern es in der
Erfahrung vor uns steht: so hat auch jeder Versuch,
er sey wie er wolle und zeige was er wolle, gleichsam
einen heimlichen Feind bey sich, der dasjenige was
der Versuch a potiori ausspricht, begränzt und un-
sicher macht. Dieß ist die Ursache, warum man im
Lehren, ja sogar im Unterrichten, nicht weit kommt;
bloß der Handelnde, der Künstler entscheidet, der das
Rechte ergreift und fruchtbar zu machen weiß.

Der Delavalischen Ueberzeugung, die wir kennen,
wird die Lehre von Newtons Lamellen an die Seite ge-
setzt, und freylich sind sie sehr verwandt. Bey New-
ton kommt auch die Farbe nicht von der Oberfläche, son-
dern das Licht muß durch eine Lamelle des Körpers ein-
dringen und decomponirt zurückkehren. Bey Delaval
ist die Farbe dieser Lamelle specificirt und wird nicht
anders gesehen, als wenn hinter ihr ein heller, wei-
ßer Grund sich befindet, von dem das Licht alsdann
gleichfalls specifisch gefärbt zurückkehrt.

Merkwürdig ist besonders in dem Lichtenbergischen

hierbey eine Bemerkung aͤußern, welche wohl verdien-
te geſperrt gedruckt zu werden; daß naͤmlich auf eine
ſolche Weiſe, wie von beyden Maͤnnern hier geſche-
hen, alle Erfahrungswiſſenſchaft vernichtet werden koͤn-
ne: denn weil nichts was uns in der Erfahrung er-
ſcheint, abſolut angeſprochen und ausgeſprochen werden
kann, ſondern immer noch eine limitirende Bedingung
mit ſich fuͤhrt, ſo daß wir Schwarz nicht Schwarz,
Weiß nicht Weiß nennen duͤrften, in ſofern es in der
Erfahrung vor uns ſteht: ſo hat auch jeder Verſuch,
er ſey wie er wolle und zeige was er wolle, gleichſam
einen heimlichen Feind bey ſich, der dasjenige was
der Verſuch a potiori ausſpricht, begraͤnzt und un-
ſicher macht. Dieß iſt die Urſache, warum man im
Lehren, ja ſogar im Unterrichten, nicht weit kommt;
bloß der Handelnde, der Kuͤnſtler entſcheidet, der das
Rechte ergreift und fruchtbar zu machen weiß.

Der Delavaliſchen Ueberzeugung, die wir kennen,
wird die Lehre von Newtons Lamellen an die Seite ge-
ſetzt, und freylich ſind ſie ſehr verwandt. Bey New-
ton kommt auch die Farbe nicht von der Oberflaͤche, ſon-
dern das Licht muß durch eine Lamelle des Koͤrpers ein-
dringen und decomponirt zuruͤckkehren. Bey Delaval
iſt die Farbe dieſer Lamelle ſpecificirt und wird nicht
anders geſehen, als wenn hinter ihr ein heller, wei-
ßer Grund ſich befindet, von dem das Licht alsdann
gleichfalls ſpecifiſch gefaͤrbt zuruͤckkehrt.

Merkwuͤrdig iſt beſonders in dem Lichtenbergiſchen

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[636/0670] hierbey eine Bemerkung aͤußern, welche wohl verdien- te geſperrt gedruckt zu werden; daß naͤmlich auf eine ſolche Weiſe, wie von beyden Maͤnnern hier geſche- hen, alle Erfahrungswiſſenſchaft vernichtet werden koͤn- ne: denn weil nichts was uns in der Erfahrung er- ſcheint, abſolut angeſprochen und ausgeſprochen werden kann, ſondern immer noch eine limitirende Bedingung mit ſich fuͤhrt, ſo daß wir Schwarz nicht Schwarz, Weiß nicht Weiß nennen duͤrften, in ſofern es in der Erfahrung vor uns ſteht: ſo hat auch jeder Verſuch, er ſey wie er wolle und zeige was er wolle, gleichſam einen heimlichen Feind bey ſich, der dasjenige was der Verſuch a potiori ausſpricht, begraͤnzt und un- ſicher macht. Dieß iſt die Urſache, warum man im Lehren, ja ſogar im Unterrichten, nicht weit kommt; bloß der Handelnde, der Kuͤnſtler entſcheidet, der das Rechte ergreift und fruchtbar zu machen weiß. Der Delavaliſchen Ueberzeugung, die wir kennen, wird die Lehre von Newtons Lamellen an die Seite ge- ſetzt, und freylich ſind ſie ſehr verwandt. Bey New- ton kommt auch die Farbe nicht von der Oberflaͤche, ſon- dern das Licht muß durch eine Lamelle des Koͤrpers ein- dringen und decomponirt zuruͤckkehren. Bey Delaval iſt die Farbe dieſer Lamelle ſpecificirt und wird nicht anders geſehen, als wenn hinter ihr ein heller, wei- ßer Grund ſich befindet, von dem das Licht alsdann gleichfalls ſpecifiſch gefaͤrbt zuruͤckkehrt. Merkwuͤrdig iſt beſonders in dem Lichtenbergiſchen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/670>, abgerufen am 22.11.2024.