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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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4) von der größern oder geringern Entfernung
der schattenwerfenden Körper von dem Grunde, der
sie empfängt.
5) von der größern oder geringern Incidenz,
sowohl der Schatten als des Lichtes, das sie erleuch-
tet, gegen den Grund, der sie aufnimmt.
6) Man könnte noch sagen von der Farbe des
Grundes, welcher die Schatten aufnimmt.

Auf diese Weise beschließt der Verfasser seine Ar-
beit, die ich um so besser beurtheilen kann, als ich,
ohne seine Bemühungen zu kennen, früher auf dem-
selbigen Wege gewesen; aus welcher Zeit ich noch eine
kleine in diesem Sinne geschriebene Abhandlung besitze.

An Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit fehlt es
diesem ruhig theilnehmenden Beobachter nicht. Die
geringsten Umstände zeigt er an: das Jahr, die Jah-
reszeit, den Tag, die Stunde; die Höhen der himm-
lischen, die Stellung der künstlichen Lichter; die größere
oder geringere Klarheit der Atmosphäre; Entfernung
und alle Arten von Bezug: aber gerade die Hauptsa-
che bleibt ihm verborgen, daß das eine Licht den wei-
ßen Grund, worauf es fällt und den Schatten proji-
cirt, einigermaßen färben müsse. So entgeht ihm,
daß die sinkende Sonne das Papier gelb und sodann
roth färbt, wodurch im ersten Fall der blaue, sodann
der grüne Schatten entsteht. Ihm entgeht, daß bey

4) von der groͤßern oder geringern Entfernung
der ſchattenwerfenden Koͤrper von dem Grunde, der
ſie empfaͤngt.
5) von der groͤßern oder geringern Incidenz,
ſowohl der Schatten als des Lichtes, das ſie erleuch-
tet, gegen den Grund, der ſie aufnimmt.
6) Man koͤnnte noch ſagen von der Farbe des
Grundes, welcher die Schatten aufnimmt.

Auf dieſe Weiſe beſchließt der Verfaſſer ſeine Ar-
beit, die ich um ſo beſſer beurtheilen kann, als ich,
ohne ſeine Bemuͤhungen zu kennen, fruͤher auf dem-
ſelbigen Wege geweſen; aus welcher Zeit ich noch eine
kleine in dieſem Sinne geſchriebene Abhandlung beſitze.

An Gewiſſenhaftigkeit und Genauigkeit fehlt es
dieſem ruhig theilnehmenden Beobachter nicht. Die
geringſten Umſtaͤnde zeigt er an: das Jahr, die Jah-
reszeit, den Tag, die Stunde; die Hoͤhen der himm-
liſchen, die Stellung der kuͤnſtlichen Lichter; die groͤßere
oder geringere Klarheit der Atmoſphaͤre; Entfernung
und alle Arten von Bezug: aber gerade die Hauptſa-
che bleibt ihm verborgen, daß das eine Licht den wei-
ßen Grund, worauf es faͤllt und den Schatten proji-
cirt, einigermaßen faͤrben muͤſſe. So entgeht ihm,
daß die ſinkende Sonne das Papier gelb und ſodann
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[612/0646] 4) von der groͤßern oder geringern Entfernung der ſchattenwerfenden Koͤrper von dem Grunde, der ſie empfaͤngt. 5) von der groͤßern oder geringern Incidenz, ſowohl der Schatten als des Lichtes, das ſie erleuch- tet, gegen den Grund, der ſie aufnimmt. 6) Man koͤnnte noch ſagen von der Farbe des Grundes, welcher die Schatten aufnimmt. Auf dieſe Weiſe beſchließt der Verfaſſer ſeine Ar- beit, die ich um ſo beſſer beurtheilen kann, als ich, ohne ſeine Bemuͤhungen zu kennen, fruͤher auf dem- ſelbigen Wege geweſen; aus welcher Zeit ich noch eine kleine in dieſem Sinne geſchriebene Abhandlung beſitze. An Gewiſſenhaftigkeit und Genauigkeit fehlt es dieſem ruhig theilnehmenden Beobachter nicht. Die geringſten Umſtaͤnde zeigt er an: das Jahr, die Jah- reszeit, den Tag, die Stunde; die Hoͤhen der himm- liſchen, die Stellung der kuͤnſtlichen Lichter; die groͤßere oder geringere Klarheit der Atmoſphaͤre; Entfernung und alle Arten von Bezug: aber gerade die Hauptſa- che bleibt ihm verborgen, daß das eine Licht den wei- ßen Grund, worauf es faͤllt und den Schatten proji- cirt, einigermaßen faͤrben muͤſſe. So entgeht ihm, daß die ſinkende Sonne das Papier gelb und ſodann roth faͤrbt, wodurch im erſten Fall der blaue, ſodann der gruͤne Schatten entſteht. Ihm entgeht, daß bey

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/646>, abgerufen am 25.11.2024.