Farben, die blaue und die gelbe, an welche beyden sich die dritte, die rothe, nur anschließend sehen läßt.
Das Licht ist nun einmal angezogen, es ist von seinem Wege abgelenkt; dieß deutet ihm gleichfalls auf die Eigenschaft eines Fluidums. Er verharrt auf dem alten Begriff der Decomposition des Lichtes in farbige Lichttheile; aber diese sind ihm weder fünf, noch sie- ben, noch unzählige, sondern nur zwey, höchstens drey.
Da er nun bey diesen Versuchen, welche wir die paroptischen nannten, auch wie bey jenen, die feu- rige Flüßigkeit betreffenden, das Objectivglas eines Sonnen-Mikroscops anwendet; so verbinden sich ihm die dioptrischen Erfahrungen der zweyten Classe, die Refractionsfälle, sogleich mit den paroptischen, deren Verwandtschaft freylich nicht abzuläugnen ist, und er widerspricht also von dieser Seite der Newtonischen Lehre, indem er ohngefähr diejenigen Versuche auf- führt, die auch wir und andere vorgelegt haben. Er spricht entschieden aus, daß die Farbenerscheinung nur an den Rändern entspringe, daß sie nur in einem einfachen Gegensatz entstehe, daß man das Licht hin und wieder brechen könne soviel man wolle, ohne daß eine Farbenerscheinung statt finde. Und wenn er auch zugesteht, daß das Licht decomponirt werde, so be- hauptet er steif und fest: es werde nur auf dem par- optischen Wege durch die sogenannte Beugung decom-
Farben, die blaue und die gelbe, an welche beyden ſich die dritte, die rothe, nur anſchließend ſehen laͤßt.
Das Licht iſt nun einmal angezogen, es iſt von ſeinem Wege abgelenkt; dieß deutet ihm gleichfalls auf die Eigenſchaft eines Fluidums. Er verharrt auf dem alten Begriff der Decompoſition des Lichtes in farbige Lichttheile; aber dieſe ſind ihm weder fuͤnf, noch ſie- ben, noch unzaͤhlige, ſondern nur zwey, hoͤchſtens drey.
Da er nun bey dieſen Verſuchen, welche wir die paroptiſchen nannten, auch wie bey jenen, die feu- rige Fluͤßigkeit betreffenden, das Objectivglas eines Sonnen-Mikroſcops anwendet; ſo verbinden ſich ihm die dioptriſchen Erfahrungen der zweyten Claſſe, die Refractionsfaͤlle, ſogleich mit den paroptiſchen, deren Verwandtſchaft freylich nicht abzulaͤugnen iſt, und er widerſpricht alſo von dieſer Seite der Newtoniſchen Lehre, indem er ohngefaͤhr diejenigen Verſuche auf- fuͤhrt, die auch wir und andere vorgelegt haben. Er ſpricht entſchieden aus, daß die Farbenerſcheinung nur an den Raͤndern entſpringe, daß ſie nur in einem einfachen Gegenſatz entſtehe, daß man das Licht hin und wieder brechen koͤnne ſoviel man wolle, ohne daß eine Farbenerſcheinung ſtatt finde. Und wenn er auch zugeſteht, daß das Licht decomponirt werde, ſo be- hauptet er ſteif und feſt: es werde nur auf dem par- optiſchen Wege durch die ſogenannte Beugung decom-
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Farben, die blaue und die gelbe, an welche beyden
ſich die dritte, die rothe, nur anſchließend ſehen
laͤßt.
Das Licht iſt nun einmal angezogen, es iſt von
ſeinem Wege abgelenkt; dieß deutet ihm gleichfalls auf
die Eigenſchaft eines Fluidums. Er verharrt auf dem
alten Begriff der Decompoſition des Lichtes in farbige
Lichttheile; aber dieſe ſind ihm weder fuͤnf, noch ſie-
ben, noch unzaͤhlige, ſondern nur zwey, hoͤchſtens
drey.
Da er nun bey dieſen Verſuchen, welche wir die
paroptiſchen nannten, auch wie bey jenen, die feu-
rige Fluͤßigkeit betreffenden, das Objectivglas eines
Sonnen-Mikroſcops anwendet; ſo verbinden ſich ihm
die dioptriſchen Erfahrungen der zweyten Claſſe, die
Refractionsfaͤlle, ſogleich mit den paroptiſchen, deren
Verwandtſchaft freylich nicht abzulaͤugnen iſt, und er
widerſpricht alſo von dieſer Seite der Newtoniſchen
Lehre, indem er ohngefaͤhr diejenigen Verſuche auf-
fuͤhrt, die auch wir und andere vorgelegt haben. Er
ſpricht entſchieden aus, daß die Farbenerſcheinung nur
an den Raͤndern entſpringe, daß ſie nur in einem
einfachen Gegenſatz entſtehe, daß man das Licht hin
und wieder brechen koͤnne ſoviel man wolle, ohne daß
eine Farbenerſcheinung ſtatt finde. Und wenn er auch
zugeſteht, daß das Licht decomponirt werde, ſo be-
hauptet er ſteif und feſt: es werde nur auf dem par-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/637>, abgerufen am 25.11.2024.
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