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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Mit einer vergnüglichen Zufriedenheit sehen wir
dasjenige geahndet und vorbereitet, was später von
Herscheln entdeckt und zu unserer Zeit weiter ausge-
führt worden. Wir wollen ihn selbst hören:

"Das Licht ist ein ausgedehntes Feuer, das man
nur in einen engen Raum zusammendrängen darf, um
sich von der Heftigkeit seiner Wirkungen zu überführen,
Die Netzhaut des Auges hat die natürliche Wärme des
Körpers. Die Lichtstrahlen, die auf sie fallen, müssen
ihre natürliche Wärme vermehren, und ihre Fasern
desto mehr ausdehnen, je dichter sie sind. Diese Ver-
schiedenheit der Ausdehnung der nervigen Fasern muß
eine verschiedene Empfindung in der Seele hervorbrin-
gen, und diese verschiedenen Empfindungen nennen wir
Farben. Mit den Empfindungen, wenn sie zu heftig
sind, ist bisweilen ein gewisses Gefühl verbunden, das
wir Schmerz heißen. Wenn die Lichtstrahlen solche
Empfindungen erregen, so haben sie einen zu heftigen
Grad der Ausdehnung hervorgebracht. Die Empfin-
dungen, die wir Farben nennen, müssen von einem ge-
ringern Grade der Ausdehnung herrühren, und unter
diesen ist die heftigste Empfindung gelbe Farbe, weni-
ger heftige die rothe, grüne, blaue Farbe."

"Ein einzelner Lichtstrahl dehnt die Stelle der
Netzhaut auf die er fällt, so aus, daß dadurch die
Empfindung in der Seele entsteht, die wir gelbe Farbe
nennen. Man zerlege diesen Lichtstrahl durch das
Prisma in sieben Theile, wovon einer immer dichter

Mit einer vergnuͤglichen Zufriedenheit ſehen wir
dasjenige geahndet und vorbereitet, was ſpaͤter von
Herſcheln entdeckt und zu unſerer Zeit weiter ausge-
fuͤhrt worden. Wir wollen ihn ſelbſt hoͤren:

„Das Licht iſt ein ausgedehntes Feuer, das man
nur in einen engen Raum zuſammendraͤngen darf, um
ſich von der Heftigkeit ſeiner Wirkungen zu uͤberfuͤhren,
Die Netzhaut des Auges hat die natuͤrliche Waͤrme des
Koͤrpers. Die Lichtſtrahlen, die auf ſie fallen, muͤſſen
ihre natuͤrliche Waͤrme vermehren, und ihre Faſern
deſto mehr ausdehnen, je dichter ſie ſind. Dieſe Ver-
ſchiedenheit der Ausdehnung der nervigen Faſern muß
eine verſchiedene Empfindung in der Seele hervorbrin-
gen, und dieſe verſchiedenen Empfindungen nennen wir
Farben. Mit den Empfindungen, wenn ſie zu heftig
ſind, iſt bisweilen ein gewiſſes Gefuͤhl verbunden, das
wir Schmerz heißen. Wenn die Lichtſtrahlen ſolche
Empfindungen erregen, ſo haben ſie einen zu heftigen
Grad der Ausdehnung hervorgebracht. Die Empfin-
dungen, die wir Farben nennen, muͤſſen von einem ge-
ringern Grade der Ausdehnung herruͤhren, und unter
dieſen iſt die heftigſte Empfindung gelbe Farbe, weni-
ger heftige die rothe, gruͤne, blaue Farbe.“

„Ein einzelner Lichtſtrahl dehnt die Stelle der
Netzhaut auf die er faͤllt, ſo aus, daß dadurch die
Empfindung in der Seele entſteht, die wir gelbe Farbe
nennen. Man zerlege dieſen Lichtſtrahl durch das
Prisma in ſieben Theile, wovon einer immer dichter

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[594/0628] Mit einer vergnuͤglichen Zufriedenheit ſehen wir dasjenige geahndet und vorbereitet, was ſpaͤter von Herſcheln entdeckt und zu unſerer Zeit weiter ausge- fuͤhrt worden. Wir wollen ihn ſelbſt hoͤren: „Das Licht iſt ein ausgedehntes Feuer, das man nur in einen engen Raum zuſammendraͤngen darf, um ſich von der Heftigkeit ſeiner Wirkungen zu uͤberfuͤhren, Die Netzhaut des Auges hat die natuͤrliche Waͤrme des Koͤrpers. Die Lichtſtrahlen, die auf ſie fallen, muͤſſen ihre natuͤrliche Waͤrme vermehren, und ihre Faſern deſto mehr ausdehnen, je dichter ſie ſind. Dieſe Ver- ſchiedenheit der Ausdehnung der nervigen Faſern muß eine verſchiedene Empfindung in der Seele hervorbrin- gen, und dieſe verſchiedenen Empfindungen nennen wir Farben. Mit den Empfindungen, wenn ſie zu heftig ſind, iſt bisweilen ein gewiſſes Gefuͤhl verbunden, das wir Schmerz heißen. Wenn die Lichtſtrahlen ſolche Empfindungen erregen, ſo haben ſie einen zu heftigen Grad der Ausdehnung hervorgebracht. Die Empfin- dungen, die wir Farben nennen, muͤſſen von einem ge- ringern Grade der Ausdehnung herruͤhren, und unter dieſen iſt die heftigſte Empfindung gelbe Farbe, weni- ger heftige die rothe, gruͤne, blaue Farbe.“ „Ein einzelner Lichtſtrahl dehnt die Stelle der Netzhaut auf die er faͤllt, ſo aus, daß dadurch die Empfindung in der Seele entſteht, die wir gelbe Farbe nennen. Man zerlege dieſen Lichtſtrahl durch das Prisma in ſieben Theile, wovon einer immer dichter

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/628>, abgerufen am 25.11.2024.