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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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solchen Fällen aufheben und es bleibe noch Brechung
übrig.

Die Newtonische Schule vernahm dieses, wie
billig, mit Entsetzen und Abscheu; im Stillen aber,
wir wissen nicht, ob auf Anlaß dieser Eulerischen Be-
hauptung, oder aus eigenem Antriebe, ließ Chester-
Morehall in England heimlich und geheimnißvoll achro-
matische Fernröhre zusammensetzen, so daß 1754 schon
dergleichen vorhanden, obgleich nicht öffentlich bekannt
waren.

Dollond, ein berühmter optischer Künstler, wi-
dersprach gleichfalls Eulern aus Newtonischen Grund-
sätzen, und fing zugleich an praktisch gegen ihn zu
operiren; allein zu seinem eignen Erstaunen entdeckt
er das Gegentheil von dem was er behauptet; die
Eigenschaften des Flint- und Crownglases werden ge-
funden, und die Achromasie steht unwidersprechlich da.

Bey alledem widerstrebt die Schule noch eine Zeit
lang; doch ein trefflicher Mann, Klingenstierna, macht
sich um die theoretische Ausführung verdient.

Niemanden konnte nunmehr verborgen bleiben, daß
der Lehre eine tödtliche Wunde beygebracht sey. Wie
sie aber eigentlich nur in Worten lebte, so war sie
auch durch ein Wort zu heilen. Man hatte die Ur-
sache der Farbenerscheinung in der Brechung selbst ge-
sucht; sie war es, welche diese Ur-Theile aus dem

ſolchen Faͤllen aufheben und es bleibe noch Brechung
uͤbrig.

Die Newtoniſche Schule vernahm dieſes, wie
billig, mit Entſetzen und Abſcheu; im Stillen aber,
wir wiſſen nicht, ob auf Anlaß dieſer Euleriſchen Be-
hauptung, oder aus eigenem Antriebe, ließ Cheſter-
Morehall in England heimlich und geheimnißvoll achro-
matiſche Fernroͤhre zuſammenſetzen, ſo daß 1754 ſchon
dergleichen vorhanden, obgleich nicht oͤffentlich bekannt
waren.

Dollond, ein beruͤhmter optiſcher Kuͤnſtler, wi-
derſprach gleichfalls Eulern aus Newtoniſchen Grund-
ſaͤtzen, und fing zugleich an praktiſch gegen ihn zu
operiren; allein zu ſeinem eignen Erſtaunen entdeckt
er das Gegentheil von dem was er behauptet; die
Eigenſchaften des Flint- und Crownglaſes werden ge-
funden, und die Achromaſie ſteht unwiderſprechlich da.

Bey alledem widerſtrebt die Schule noch eine Zeit
lang; doch ein trefflicher Mann, Klingenſtierna, macht
ſich um die theoretiſche Ausfuͤhrung verdient.

Niemanden konnte nunmehr verborgen bleiben, daß
der Lehre eine toͤdtliche Wunde beygebracht ſey. Wie
ſie aber eigentlich nur in Worten lebte, ſo war ſie
auch durch ein Wort zu heilen. Man hatte die Ur-
ſache der Farbenerſcheinung in der Brechung ſelbſt ge-
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[584/0618] ſolchen Faͤllen aufheben und es bleibe noch Brechung uͤbrig. Die Newtoniſche Schule vernahm dieſes, wie billig, mit Entſetzen und Abſcheu; im Stillen aber, wir wiſſen nicht, ob auf Anlaß dieſer Euleriſchen Be- hauptung, oder aus eigenem Antriebe, ließ Cheſter- Morehall in England heimlich und geheimnißvoll achro- matiſche Fernroͤhre zuſammenſetzen, ſo daß 1754 ſchon dergleichen vorhanden, obgleich nicht oͤffentlich bekannt waren. Dollond, ein beruͤhmter optiſcher Kuͤnſtler, wi- derſprach gleichfalls Eulern aus Newtoniſchen Grund- ſaͤtzen, und fing zugleich an praktiſch gegen ihn zu operiren; allein zu ſeinem eignen Erſtaunen entdeckt er das Gegentheil von dem was er behauptet; die Eigenſchaften des Flint- und Crownglaſes werden ge- funden, und die Achromaſie ſteht unwiderſprechlich da. Bey alledem widerſtrebt die Schule noch eine Zeit lang; doch ein trefflicher Mann, Klingenſtierna, macht ſich um die theoretiſche Ausfuͤhrung verdient. Niemanden konnte nunmehr verborgen bleiben, daß der Lehre eine toͤdtliche Wunde beygebracht ſey. Wie ſie aber eigentlich nur in Worten lebte, ſo war ſie auch durch ein Wort zu heilen. Man hatte die Ur- ſache der Farbenerſcheinung in der Brechung ſelbſt ge- ſucht; ſie war es, welche dieſe Ur-Theile aus dem

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/618>, abgerufen am 22.11.2024.