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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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gemäß und bequem, nur drey Grundfarben anzuneh-
men. Dieses hatte schon Boyle im zwölften Experi-
ment des dritten Theils seines bekannten Werks kurz
und bündig ausgesprochen, und den Malern das Recht
ertheilt, nur drey primäre Farben zu statuiren: weil
man denn doch wohl diejenigen so nennen dürfe, die
aus keinen andern entspringen, alle übrigen aber er-
zeugen.

In diesem Sinne ist denn auch Mayers Aufsatz
geschrieben. Es herrscht darin der gerade gesunde
Menschenverstand. Er operirt zwar mit Pigmenten,
wählt aber unter ihnen diejenigen aus, die er als Re-
präsentanten jener durch den Begriff bestimmten, einfa-
chen Farben ansehen darf. Durch Combination und
Berechnung will er nun die möglichen, unterscheidbaren
Zusammensetzungen ausmitteln.

Allein, weil er atomistisch zu Werke geht, so ist
seine Behandlung keineswegs zulänglich. Die einfachen,
die Grundfarben, mögen dem Verstande bestimmbar
seyn, aber wo sollen sie in der Erfahrung als Körper
aufgefunden werden? Jedes Pigment hat seine beson-
dern Eigenschaften und verhält sich, sowohl färbend als
körperlich, gegen die übrigen, nicht als ein Allge-
meines, sondern als ein Specifisches. Ferner entsteht
die Frage: soll man die Pigmente nach Maaß, oder
nach Gewicht zusammenbringen? Beydes kann hier
nicht frommen. Alle Mischung der Pigmente zu male-
rischen Zwecken ist empirisch-ästhetisch, und hängt von

gemaͤß und bequem, nur drey Grundfarben anzuneh-
men. Dieſes hatte ſchon Boyle im zwoͤlften Experi-
ment des dritten Theils ſeines bekannten Werks kurz
und buͤndig ausgeſprochen, und den Malern das Recht
ertheilt, nur drey primaͤre Farben zu ſtatuiren: weil
man denn doch wohl diejenigen ſo nennen duͤrfe, die
aus keinen andern entſpringen, alle uͤbrigen aber er-
zeugen.

In dieſem Sinne iſt denn auch Mayers Aufſatz
geſchrieben. Es herrſcht darin der gerade geſunde
Menſchenverſtand. Er operirt zwar mit Pigmenten,
waͤhlt aber unter ihnen diejenigen aus, die er als Re-
praͤſentanten jener durch den Begriff beſtimmten, einfa-
chen Farben anſehen darf. Durch Combination und
Berechnung will er nun die moͤglichen, unterſcheidbaren
Zuſammenſetzungen ausmitteln.

Allein, weil er atomiſtiſch zu Werke geht, ſo iſt
ſeine Behandlung keineswegs zulaͤnglich. Die einfachen,
die Grundfarben, moͤgen dem Verſtande beſtimmbar
ſeyn, aber wo ſollen ſie in der Erfahrung als Koͤrper
aufgefunden werden? Jedes Pigment hat ſeine beſon-
dern Eigenſchaften und verhaͤlt ſich, ſowohl faͤrbend als
koͤrperlich, gegen die uͤbrigen, nicht als ein Allge-
meines, ſondern als ein Specifiſches. Ferner entſteht
die Frage: ſoll man die Pigmente nach Maaß, oder
nach Gewicht zuſammenbringen? Beydes kann hier
nicht frommen. Alle Miſchung der Pigmente zu male-
riſchen Zwecken iſt empiriſch-aͤſthetiſch, und haͤngt von

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[569/0603] gemaͤß und bequem, nur drey Grundfarben anzuneh- men. Dieſes hatte ſchon Boyle im zwoͤlften Experi- ment des dritten Theils ſeines bekannten Werks kurz und buͤndig ausgeſprochen, und den Malern das Recht ertheilt, nur drey primaͤre Farben zu ſtatuiren: weil man denn doch wohl diejenigen ſo nennen duͤrfe, die aus keinen andern entſpringen, alle uͤbrigen aber er- zeugen. In dieſem Sinne iſt denn auch Mayers Aufſatz geſchrieben. Es herrſcht darin der gerade geſunde Menſchenverſtand. Er operirt zwar mit Pigmenten, waͤhlt aber unter ihnen diejenigen aus, die er als Re- praͤſentanten jener durch den Begriff beſtimmten, einfa- chen Farben anſehen darf. Durch Combination und Berechnung will er nun die moͤglichen, unterſcheidbaren Zuſammenſetzungen ausmitteln. Allein, weil er atomiſtiſch zu Werke geht, ſo iſt ſeine Behandlung keineswegs zulaͤnglich. Die einfachen, die Grundfarben, moͤgen dem Verſtande beſtimmbar ſeyn, aber wo ſollen ſie in der Erfahrung als Koͤrper aufgefunden werden? Jedes Pigment hat ſeine beſon- dern Eigenſchaften und verhaͤlt ſich, ſowohl faͤrbend als koͤrperlich, gegen die uͤbrigen, nicht als ein Allge- meines, ſondern als ein Specifiſches. Ferner entſteht die Frage: ſoll man die Pigmente nach Maaß, oder nach Gewicht zuſammenbringen? Beydes kann hier nicht frommen. Alle Miſchung der Pigmente zu male- riſchen Zwecken iſt empiriſch-aͤſthetiſch, und haͤngt von

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/603>, abgerufen am 25.11.2024.