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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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heraus. Die Arbeit ist sehr verdienstvoll; allein es ist
überaus schwer über das eigentliche Verfahren, wel-
ches er beym Druck dieser colorirten Tafeln angewen-
det, etwas Befriedigendes zu sagen. Dergleichen Dinge
lassen sich nicht ganz mechanisch behandeln; und ob es
gleich ausgemacht ist, daß er mit mehrern Platten ge-
druckt, so scheint es doch, daß er weniger als viere
angewendet, daß auf die Clairobscür-Platte stellenweise
schon gemalt worden, und daß sonst auch durch eine
zärtere künstlerische Behandlung diese Abdrücke den
Grad der Vollkommenheit erreicht haben, auf welchem
wir sie sehen.

Indessen, da er auf dem praktischen und techni-
schen Malerweg über die Farben zu denken genöthigt
ist; so muß er freylich darauf kommen, daß man aus
drey Farben alle die übrigen hervorbringen kann. Er
faßt daher, wie Castel und andere, ein richtiges Aper-
cü gegen Newton und verfolgt es, indem er die pris-
matischen Versuche durcharbeitet.

Im November des Jahres 1749 trägt er der Aka-
demie ein umständliches Memoire vor, worin er so-
wohl gegen Newton polemisirt, als auch das was er
theoretisch für wahr hält, niederlegt. Diese gelehrte
Gesellschaft war nun schon so groß und mächtig, daß
sie der Wissenschaft schaden konnte. Vorzügliche Mit-
glieder derselben, wie Nollet und Büffon, hatten sich
der Newtonischen Lehre hingegeben. Gautier's Zudring-
lichkeit mag höchst unbequem gewesen seyn. Genug,

heraus. Die Arbeit iſt ſehr verdienſtvoll; allein es iſt
uͤberaus ſchwer uͤber das eigentliche Verfahren, wel-
ches er beym Druck dieſer colorirten Tafeln angewen-
det, etwas Befriedigendes zu ſagen. Dergleichen Dinge
laſſen ſich nicht ganz mechaniſch behandeln; und ob es
gleich ausgemacht iſt, daß er mit mehrern Platten ge-
druckt, ſo ſcheint es doch, daß er weniger als viere
angewendet, daß auf die Clairobſcuͤr-Platte ſtellenweiſe
ſchon gemalt worden, und daß ſonſt auch durch eine
zaͤrtere kuͤnſtleriſche Behandlung dieſe Abdruͤcke den
Grad der Vollkommenheit erreicht haben, auf welchem
wir ſie ſehen.

Indeſſen, da er auf dem praktiſchen und techni-
ſchen Malerweg uͤber die Farben zu denken genoͤthigt
iſt; ſo muß er freylich darauf kommen, daß man aus
drey Farben alle die uͤbrigen hervorbringen kann. Er
faßt daher, wie Caſtel und andere, ein richtiges Aper-
çuͤ gegen Newton und verfolgt es, indem er die pris-
matiſchen Verſuche durcharbeitet.

Im November des Jahres 1749 traͤgt er der Aka-
demie ein umſtaͤndliches Memoire vor, worin er ſo-
wohl gegen Newton polemiſirt, als auch das was er
theoretiſch fuͤr wahr haͤlt, niederlegt. Dieſe gelehrte
Geſellſchaft war nun ſchon ſo groß und maͤchtig, daß
ſie der Wiſſenſchaft ſchaden konnte. Vorzuͤgliche Mit-
glieder derſelben, wie Nollet und Buͤffon, hatten ſich
der Newtoniſchen Lehre hingegeben. Gautier’s Zudring-
lichkeit mag hoͤchſt unbequem geweſen ſeyn. Genug,

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[539/0573] heraus. Die Arbeit iſt ſehr verdienſtvoll; allein es iſt uͤberaus ſchwer uͤber das eigentliche Verfahren, wel- ches er beym Druck dieſer colorirten Tafeln angewen- det, etwas Befriedigendes zu ſagen. Dergleichen Dinge laſſen ſich nicht ganz mechaniſch behandeln; und ob es gleich ausgemacht iſt, daß er mit mehrern Platten ge- druckt, ſo ſcheint es doch, daß er weniger als viere angewendet, daß auf die Clairobſcuͤr-Platte ſtellenweiſe ſchon gemalt worden, und daß ſonſt auch durch eine zaͤrtere kuͤnſtleriſche Behandlung dieſe Abdruͤcke den Grad der Vollkommenheit erreicht haben, auf welchem wir ſie ſehen. Indeſſen, da er auf dem praktiſchen und techni- ſchen Malerweg uͤber die Farben zu denken genoͤthigt iſt; ſo muß er freylich darauf kommen, daß man aus drey Farben alle die uͤbrigen hervorbringen kann. Er faßt daher, wie Caſtel und andere, ein richtiges Aper- çuͤ gegen Newton und verfolgt es, indem er die pris- matiſchen Verſuche durcharbeitet. Im November des Jahres 1749 traͤgt er der Aka- demie ein umſtaͤndliches Memoire vor, worin er ſo- wohl gegen Newton polemiſirt, als auch das was er theoretiſch fuͤr wahr haͤlt, niederlegt. Dieſe gelehrte Geſellſchaft war nun ſchon ſo groß und maͤchtig, daß ſie der Wiſſenſchaft ſchaden konnte. Vorzuͤgliche Mit- glieder derſelben, wie Nollet und Buͤffon, hatten ſich der Newtoniſchen Lehre hingegeben. Gautier’s Zudring- lichkeit mag hoͤchſt unbequem geweſen ſeyn. Genug,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/573>, abgerufen am 25.11.2024.