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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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hat viel Gutes. Er gesteht zwar selbst die Zartheit
und Beweglichkeit der Criterien ein, gibt aber doch
deswegen nicht alle Hoffnungen auf; wie wir denn
von dem was er uns überliefert, nähern Gebrauch
zu machen gedenken, wenn wir auf diese Materie,
die wir in unserm Entwurfe nur beyläufig behandelt
haben, dereinst zurückkehren.

In dem animalischen Reiche hatte Reaumür den
Saft einiger europäischen Purpurschnecken und dessen
Färbungseigenschaften untersucht. Man fand, daß
Licht und Luft die Farbe gar herrlich erhöhten. An-
dere waren auf die Farbe des Blutes aufmerksam ge-
worden, und beobachteten, daß das arterielle Blut
ein höheres, das venöse ein tieferes Roth zeige. Man
schrieb der Wirkung der Luft auf die Lungen jene Farbe
zu; weil man es aber materiell und mechanisch nahm,
so kam man nicht weiter und erregte Widerspruch.

Das Mineralreich bot dagegen bequeme und sichere
Versuche dar. Lemery, der jüngere, untersuchte die
Metalle nach ihren verschiedenen Auflösungen und Prä-
cipitationen. Man schrieb dem Quecksilber die größte
Versatilität in Absicht der Farben zu, weil sie sich an
demselben am leichtesten offenbart. Wegen der übrigen,
glaubte man eine Specification eines jeden Metalls zu
gewissen Farben annehmen zu müssen, und blieb des-
wegen in einer gewissen Beschränktheit, aus der wir
uns noch nicht ganz haben herausreißen können.

hat viel Gutes. Er geſteht zwar ſelbſt die Zartheit
und Beweglichkeit der Criterien ein, gibt aber doch
deswegen nicht alle Hoffnungen auf; wie wir denn
von dem was er uns uͤberliefert, naͤhern Gebrauch
zu machen gedenken, wenn wir auf dieſe Materie,
die wir in unſerm Entwurfe nur beylaͤufig behandelt
haben, dereinſt zuruͤckkehren.

In dem animaliſchen Reiche hatte Reaumuͤr den
Saft einiger europaͤiſchen Purpurſchnecken und deſſen
Faͤrbungseigenſchaften unterſucht. Man fand, daß
Licht und Luft die Farbe gar herrlich erhoͤhten. An-
dere waren auf die Farbe des Blutes aufmerkſam ge-
worden, und beobachteten, daß das arterielle Blut
ein hoͤheres, das venoͤſe ein tieferes Roth zeige. Man
ſchrieb der Wirkung der Luft auf die Lungen jene Farbe
zu; weil man es aber materiell und mechaniſch nahm,
ſo kam man nicht weiter und erregte Widerſpruch.

Das Mineralreich bot dagegen bequeme und ſichere
Verſuche dar. Lemery, der juͤngere, unterſuchte die
Metalle nach ihren verſchiedenen Aufloͤſungen und Praͤ-
cipitationen. Man ſchrieb dem Queckſilber die groͤßte
Verſatilitaͤt in Abſicht der Farben zu, weil ſie ſich an
demſelben am leichteſten offenbart. Wegen der uͤbrigen,
glaubte man eine Specification eines jeden Metalls zu
gewiſſen Farben annehmen zu muͤſſen, und blieb des-
wegen in einer gewiſſen Beſchraͤnktheit, aus der wir
uns noch nicht ganz haben herausreißen koͤnnen.

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[523/0557] hat viel Gutes. Er geſteht zwar ſelbſt die Zartheit und Beweglichkeit der Criterien ein, gibt aber doch deswegen nicht alle Hoffnungen auf; wie wir denn von dem was er uns uͤberliefert, naͤhern Gebrauch zu machen gedenken, wenn wir auf dieſe Materie, die wir in unſerm Entwurfe nur beylaͤufig behandelt haben, dereinſt zuruͤckkehren. In dem animaliſchen Reiche hatte Reaumuͤr den Saft einiger europaͤiſchen Purpurſchnecken und deſſen Faͤrbungseigenſchaften unterſucht. Man fand, daß Licht und Luft die Farbe gar herrlich erhoͤhten. An- dere waren auf die Farbe des Blutes aufmerkſam ge- worden, und beobachteten, daß das arterielle Blut ein hoͤheres, das venoͤſe ein tieferes Roth zeige. Man ſchrieb der Wirkung der Luft auf die Lungen jene Farbe zu; weil man es aber materiell und mechaniſch nahm, ſo kam man nicht weiter und erregte Widerſpruch. Das Mineralreich bot dagegen bequeme und ſichere Verſuche dar. Lemery, der juͤngere, unterſuchte die Metalle nach ihren verſchiedenen Aufloͤſungen und Praͤ- cipitationen. Man ſchrieb dem Queckſilber die groͤßte Verſatilitaͤt in Abſicht der Farben zu, weil ſie ſich an demſelben am leichteſten offenbart. Wegen der uͤbrigen, glaubte man eine Specification eines jeden Metalls zu gewiſſen Farben annehmen zu muͤſſen, und blieb des- wegen in einer gewiſſen Beſchraͤnktheit, aus der wir uns noch nicht ganz haben herausreißen koͤnnen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/557>, abgerufen am 24.11.2024.