Von jener Zeit an wird nun nicht leicht ein Dichter oder Redner, ein Verskünstler oder Prosaist gefunden, der nicht einmal oder mehreremal in seinem Leben diese farbige Spaltung des Lichts zum Gleichniß der Ent- wicklung des Ungleichartigen aus dem Gleichartigen ge- braucht hätte; und es ist freylich Niemand zu verar- gen, wenn einmal so eine wunderliche Synthese zum Behuf einer so wunderlichen Analyse gemacht worden, wenn der Glaube daran allgemein ist, daß er sie auch zu seinem Behuf, es sey nun des Belehrens und Ueberzeugens, oder des Blendens und Ueberredens, als Instanz oder Gleichniß beybringe.
Ang mani
Die Engländer sind vielleicht vor vielen Nationen geeignet, Auswärtigen zu imponiren. Ihre persönli- che Ruhe, Sicherheit, Thätigkeit, Eigensinn und Wohlhäbigkeit geben beynahe ein unerreichbares Muster- bild von dem was alle Menschen sich wünschen. Ohne uns hier in ein Allgemeines einzulassen, bemerken wir nur, daß die Klage über Anglomanie von früherer Zeit bis zur neuesten in der französischen Literatur vor- kommt. Dieser Enthusiasmus der französischen Nation für die englische soll sich besonders gleich nach einem geschlossenen Frieden am lebhaftesten äußern: welches wohl daher kommen mag, weil alsdann nach wieder- hergestellter Communication beyder Nationen der Reich-
Von jener Zeit an wird nun nicht leicht ein Dichter oder Redner, ein Verskuͤnſtler oder Proſaiſt gefunden, der nicht einmal oder mehreremal in ſeinem Leben dieſe farbige Spaltung des Lichts zum Gleichniß der Ent- wicklung des Ungleichartigen aus dem Gleichartigen ge- braucht haͤtte; und es iſt freylich Niemand zu verar- gen, wenn einmal ſo eine wunderliche Syntheſe zum Behuf einer ſo wunderlichen Analyſe gemacht worden, wenn der Glaube daran allgemein iſt, daß er ſie auch zu ſeinem Behuf, es ſey nun des Belehrens und Ueberzeugens, oder des Blendens und Ueberredens, als Inſtanz oder Gleichniß beybringe.
Ang mani
Die Englaͤnder ſind vielleicht vor vielen Nationen geeignet, Auswaͤrtigen zu imponiren. Ihre perſoͤnli- che Ruhe, Sicherheit, Thaͤtigkeit, Eigenſinn und Wohlhaͤbigkeit geben beynahe ein unerreichbares Muſter- bild von dem was alle Menſchen ſich wuͤnſchen. Ohne uns hier in ein Allgemeines einzulaſſen, bemerken wir nur, daß die Klage uͤber Anglomanie von fruͤherer Zeit bis zur neueſten in der franzoͤſiſchen Literatur vor- kommt. Dieſer Enthuſiasmus der franzoͤſiſchen Nation fuͤr die engliſche ſoll ſich beſonders gleich nach einem geſchloſſenen Frieden am lebhafteſten aͤußern: welches wohl daher kommen mag, weil alsdann nach wieder- hergeſtellter Communication beyder Nationen der Reich-
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Von jener Zeit an wird nun nicht leicht ein Dichter
oder Redner, ein Verskuͤnſtler oder Proſaiſt gefunden,
der nicht einmal oder mehreremal in ſeinem Leben dieſe
farbige Spaltung des Lichts zum Gleichniß der Ent-
wicklung des Ungleichartigen aus dem Gleichartigen ge-
braucht haͤtte; und es iſt freylich Niemand zu verar-
gen, wenn einmal ſo eine wunderliche Syntheſe zum
Behuf einer ſo wunderlichen Analyſe gemacht worden,
wenn der Glaube daran allgemein iſt, daß er ſie auch
zu ſeinem Behuf, es ſey nun des Belehrens und
Ueberzeugens, oder des Blendens und Ueberredens,
als Inſtanz oder Gleichniß beybringe.
Ang mani
Die Englaͤnder ſind vielleicht vor vielen Nationen
geeignet, Auswaͤrtigen zu imponiren. Ihre perſoͤnli-
che Ruhe, Sicherheit, Thaͤtigkeit, Eigenſinn und
Wohlhaͤbigkeit geben beynahe ein unerreichbares Muſter-
bild von dem was alle Menſchen ſich wuͤnſchen. Ohne
uns hier in ein Allgemeines einzulaſſen, bemerken wir
nur, daß die Klage uͤber Anglomanie von fruͤherer
Zeit bis zur neueſten in der franzoͤſiſchen Literatur vor-
kommt. Dieſer Enthuſiasmus der franzoͤſiſchen Nation
fuͤr die engliſche ſoll ſich beſonders gleich nach einem
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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