Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
In demselben Briefe.

"Der Pater Castel hat wenig Methode, sein Geist
ist das Umgekehrte vom Geiste des Jahrhunderts. Man
könnte nicht leicht einen Auszug verworrener und un-
belehrender einrichten."

Brief an Herrn Formont
den 1. April 1740
.

"Also habt Ihr den unnützen Plunder über die Fär-
berey gelesen, den Herr Pater Castel seine Optik nennt.
Es ist lustig genug, daß er sich beygehen läßt zu sagen:
Newton habe sich betrogen, ohne es im mindesten zu
beweisen, ohne den geringsten Versuch über die ursprüng-
lichen Farben gemacht zu haben. Es scheint die Phy-
sik will nun drollig werden, seitdem es die Comödie
nicht mehr ist."


Algarotti.

geb. 1712. gest. 1774.

Stammend aus einem reichen venetianischen Kauf-
mannshause, erhielt er bey sehr schönen Fähigkeiten
seine erste Bildung in Bologna, reiste schon sehr jung,
und kam im zwanzigsten Jahre nach Paris. Dort er-
griff auch er den Weg der Popularisation eines abstrusen
Gegenstandes, um sich bekannt und beliebt zu machen.
Newton war der Abgott des Tages, und das siebenfar-

In demſelben Briefe.

„Der Pater Caſtel hat wenig Methode, ſein Geiſt
iſt das Umgekehrte vom Geiſte des Jahrhunderts. Man
koͤnnte nicht leicht einen Auszug verworrener und un-
belehrender einrichten.“

Brief an Herrn Formont
den 1. April 1740
.

„Alſo habt Ihr den unnuͤtzen Plunder uͤber die Faͤr-
berey geleſen, den Herr Pater Caſtel ſeine Optik nennt.
Es iſt luſtig genug, daß er ſich beygehen laͤßt zu ſagen:
Newton habe ſich betrogen, ohne es im mindeſten zu
beweiſen, ohne den geringſten Verſuch uͤber die urſpruͤng-
lichen Farben gemacht zu haben. Es ſcheint die Phy-
ſik will nun drollig werden, ſeitdem es die Comoͤdie
nicht mehr iſt.“


Algarotti.

geb. 1712. geſt. 1774.

Stammend aus einem reichen venetianiſchen Kauf-
mannshauſe, erhielt er bey ſehr ſchoͤnen Faͤhigkeiten
ſeine erſte Bildung in Bologna, reiſte ſchon ſehr jung,
und kam im zwanzigſten Jahre nach Paris. Dort er-
griff auch er den Weg der Populariſation eines abſtruſen
Gegenſtandes, um ſich bekannt und beliebt zu machen.
Newton war der Abgott des Tages, und das ſiebenfar-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0551" n="517"/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">In dem&#x017F;elben Briefe</hi>.</head><lb/>
              <p>&#x201E;Der Pater Ca&#x017F;tel hat wenig Methode, &#x017F;ein Gei&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t das Umgekehrte vom Gei&#x017F;te des Jahrhunderts. Man<lb/>
ko&#x0364;nnte nicht leicht einen Auszug verworrener und un-<lb/>
belehrender einrichten.&#x201C;</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Brief an Herrn Formont<lb/>
den 1. April 1740</hi>.</head><lb/>
              <p>&#x201E;Al&#x017F;o habt Ihr den unnu&#x0364;tzen Plunder u&#x0364;ber die Fa&#x0364;r-<lb/>
berey gele&#x017F;en, den Herr Pater Ca&#x017F;tel &#x017F;eine Optik nennt.<lb/>
Es i&#x017F;t lu&#x017F;tig genug, daß er &#x017F;ich beygehen la&#x0364;ßt zu &#x017F;agen:<lb/>
Newton habe &#x017F;ich betrogen, ohne es im minde&#x017F;ten zu<lb/>
bewei&#x017F;en, ohne den gering&#x017F;ten Ver&#x017F;uch u&#x0364;ber die ur&#x017F;pru&#x0364;ng-<lb/>
lichen Farben gemacht zu haben. Es &#x017F;cheint die Phy-<lb/>
&#x017F;ik will nun drollig werden, &#x017F;eitdem es die Como&#x0364;die<lb/>
nicht mehr i&#x017F;t.&#x201C;</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Algarotti</hi>.</head><lb/>
            <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">geb. 1712. ge&#x017F;t. 1774</hi>.</hi> </p><lb/>
            <p>Stammend aus einem reichen venetiani&#x017F;chen Kauf-<lb/>
mannshau&#x017F;e, erhielt er bey &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;nen Fa&#x0364;higkeiten<lb/>
&#x017F;eine er&#x017F;te Bildung in Bologna, rei&#x017F;te &#x017F;chon &#x017F;ehr jung,<lb/>
und kam im zwanzig&#x017F;ten Jahre nach Paris. Dort er-<lb/>
griff auch er den Weg der Populari&#x017F;ation eines ab&#x017F;tru&#x017F;en<lb/>
Gegen&#x017F;tandes, um &#x017F;ich bekannt und beliebt zu machen.<lb/>
Newton war der Abgott des Tages, und das &#x017F;iebenfar-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[517/0551] In demſelben Briefe. „Der Pater Caſtel hat wenig Methode, ſein Geiſt iſt das Umgekehrte vom Geiſte des Jahrhunderts. Man koͤnnte nicht leicht einen Auszug verworrener und un- belehrender einrichten.“ Brief an Herrn Formont den 1. April 1740. „Alſo habt Ihr den unnuͤtzen Plunder uͤber die Faͤr- berey geleſen, den Herr Pater Caſtel ſeine Optik nennt. Es iſt luſtig genug, daß er ſich beygehen laͤßt zu ſagen: Newton habe ſich betrogen, ohne es im mindeſten zu beweiſen, ohne den geringſten Verſuch uͤber die urſpruͤng- lichen Farben gemacht zu haben. Es ſcheint die Phy- ſik will nun drollig werden, ſeitdem es die Comoͤdie nicht mehr iſt.“ Algarotti. geb. 1712. geſt. 1774. Stammend aus einem reichen venetianiſchen Kauf- mannshauſe, erhielt er bey ſehr ſchoͤnen Faͤhigkeiten ſeine erſte Bildung in Bologna, reiſte ſchon ſehr jung, und kam im zwanzigſten Jahre nach Paris. Dort er- griff auch er den Weg der Populariſation eines abſtruſen Gegenſtandes, um ſich bekannt und beliebt zu machen. Newton war der Abgott des Tages, und das ſiebenfar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/551
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/551>, abgerufen am 25.11.2024.