die Franzosen verloren, deren Blick durch die magische Gewalt des englischen Gestirns fascinirt worden. New- ton war Präsident einer schon gegründeten Societät, als die französische Akademie in ihrer ersten Bildungs- epoche begriffen war; sie schätzte sich's zur Ehre ihn zum Mitglied aufzunehmen, und von diesem Augenblick an scheinen sie auch seine Lehre, seine Gesinnungen adop- tirt zu haben.
Gelehrte Gesellschaften, sobald sie vom Gouverne- ment bestätigt, einen Körper ausmachen, befinden sich in Absicht der reinen Wahrheit in einer mißlichen Lage. Sie haben einen Rang und können ihn mittheilen; sie haben Rechte und können sie übertragen; sie stehen gegen ihre Glieder, sie stehen gegen gleiche Corporationen, gegen die übrigen Staatszweige, gegen die Nation, gegen die Welt in einer gewissen Beziehung. Im Ein- zelnen verdient nicht Jeder den sie aufnehmen, seine Stelle; im Einzelnen kann nicht alles was sie billigen recht, nicht alles was sie tadeln, falsch seyn: denn wie sollten sie vor allen andern Menschen und ihren Ver- sammlungen das Privilegium haben, das Vergangene ohne hergebrachtes Urtheil, das Gegenwärtige ohne leidenschaftliches Vorurtheil, das Neuauftretende ohne mistrauische Gesinnung, und das Künftige ohne über- triebene Hoffnung oder Apprehension, zu kennen, zu be- schauen, zu betrachten, und zu erwarten.
So wie bey einzelnen Menschen, um so mehr bey solchen Gesellschaften, kann nicht alles um der Wahr-
die Franzoſen verloren, deren Blick durch die magiſche Gewalt des engliſchen Geſtirns fascinirt worden. New- ton war Praͤſident einer ſchon gegruͤndeten Societaͤt, als die franzoͤſiſche Akademie in ihrer erſten Bildungs- epoche begriffen war; ſie ſchaͤtzte ſich’s zur Ehre ihn zum Mitglied aufzunehmen, und von dieſem Augenblick an ſcheinen ſie auch ſeine Lehre, ſeine Geſinnungen adop- tirt zu haben.
Gelehrte Geſellſchaften, ſobald ſie vom Gouverne- ment beſtaͤtigt, einen Koͤrper ausmachen, befinden ſich in Abſicht der reinen Wahrheit in einer mißlichen Lage. Sie haben einen Rang und koͤnnen ihn mittheilen; ſie haben Rechte und koͤnnen ſie uͤbertragen; ſie ſtehen gegen ihre Glieder, ſie ſtehen gegen gleiche Corporationen, gegen die uͤbrigen Staatszweige, gegen die Nation, gegen die Welt in einer gewiſſen Beziehung. Im Ein- zelnen verdient nicht Jeder den ſie aufnehmen, ſeine Stelle; im Einzelnen kann nicht alles was ſie billigen recht, nicht alles was ſie tadeln, falſch ſeyn: denn wie ſollten ſie vor allen andern Menſchen und ihren Ver- ſammlungen das Privilegium haben, das Vergangene ohne hergebrachtes Urtheil, das Gegenwaͤrtige ohne leidenſchaftliches Vorurtheil, das Neuauftretende ohne mistrauiſche Geſinnung, und das Kuͤnftige ohne uͤber- triebene Hoffnung oder Apprehenſion, zu kennen, zu be- ſchauen, zu betrachten, und zu erwarten.
So wie bey einzelnen Menſchen, um ſo mehr bey ſolchen Geſellſchaften, kann nicht alles um der Wahr-
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die Franzoſen verloren, deren Blick durch die magiſche
Gewalt des engliſchen Geſtirns fascinirt worden. New-
ton war Praͤſident einer ſchon gegruͤndeten Societaͤt,
als die franzoͤſiſche Akademie in ihrer erſten Bildungs-
epoche begriffen war; ſie ſchaͤtzte ſich’s zur Ehre ihn zum
Mitglied aufzunehmen, und von dieſem Augenblick an
ſcheinen ſie auch ſeine Lehre, ſeine Geſinnungen adop-
tirt zu haben.
Gelehrte Geſellſchaften, ſobald ſie vom Gouverne-
ment beſtaͤtigt, einen Koͤrper ausmachen, befinden ſich
in Abſicht der reinen Wahrheit in einer mißlichen Lage.
Sie haben einen Rang und koͤnnen ihn mittheilen;
ſie haben Rechte und koͤnnen ſie uͤbertragen; ſie ſtehen
gegen ihre Glieder, ſie ſtehen gegen gleiche Corporationen,
gegen die uͤbrigen Staatszweige, gegen die Nation,
gegen die Welt in einer gewiſſen Beziehung. Im Ein-
zelnen verdient nicht Jeder den ſie aufnehmen, ſeine
Stelle; im Einzelnen kann nicht alles was ſie billigen
recht, nicht alles was ſie tadeln, falſch ſeyn: denn wie
ſollten ſie vor allen andern Menſchen und ihren Ver-
ſammlungen das Privilegium haben, das Vergangene
ohne hergebrachtes Urtheil, das Gegenwaͤrtige ohne
leidenſchaftliches Vorurtheil, das Neuauftretende ohne
mistrauiſche Geſinnung, und das Kuͤnftige ohne uͤber-
triebene Hoffnung oder Apprehenſion, zu kennen, zu be-
ſchauen, zu betrachten, und zu erwarten.
So wie bey einzelnen Menſchen, um ſo mehr bey
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/542>, abgerufen am 18.12.2024.
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