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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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vor dieser Schwärze, oder diesem Nichts stehet, so
giebt es eine blaue Farbe; daher der Himmel des Ta-
ges blau siehet, weil die Luft wegen der Dünste weiß
ist. Dahero je reiner die Luft ist, je hochblauer ist
der Himmel, als wo ein Gewitter vorüber ist, und
die Luft von denen vielen Dünsten gereinigt; je dünsti-
ger aber die Luft ist, desto weißlicher ist diese blaue
Farbe. Und daher scheinen auch die Wälder von
weitem blau, weil vor dem schwarzen schattenvollen
Grün die weiße und illuminirte Luft sich befindet.


Mallebranche.

Wir haben schon oben S. 324. den Entwurf sei-
ner Lehre eingerückt. Er gehört unter diejenigen, wel-
che Licht und Farbe zarter zu behandeln glaubten,
wenn sie sich diese Phänomene als Schwingungen er-
klärten. Und es ist bekannt, daß diese Vorstellungs-
art durch das ganze achtzehnte Jahrhundert Gunst
gefunden.

Nun haben wir schon geäußert, daß nach unserer
Ueberzeugung damit gar nichts gewonnen ist. Denn
wenn uns der Ton deswegen begreiflicher zu seyn
scheint als die Farbe, weil wir mit Augen sehen und
mit Händen greifen können, daß eine mechanische
Impulsion Schwingungen an den Körpern und in der

vor dieſer Schwaͤrze, oder dieſem Nichts ſtehet, ſo
giebt es eine blaue Farbe; daher der Himmel des Ta-
ges blau ſiehet, weil die Luft wegen der Duͤnſte weiß
iſt. Dahero je reiner die Luft iſt, je hochblauer iſt
der Himmel, als wo ein Gewitter voruͤber iſt, und
die Luft von denen vielen Duͤnſten gereinigt; je duͤnſti-
ger aber die Luft iſt, deſto weißlicher iſt dieſe blaue
Farbe. Und daher ſcheinen auch die Waͤlder von
weitem blau, weil vor dem ſchwarzen ſchattenvollen
Gruͤn die weiße und illuminirte Luft ſich befindet.


Mallebranche.

Wir haben ſchon oben S. 324. den Entwurf ſei-
ner Lehre eingeruͤckt. Er gehoͤrt unter diejenigen, wel-
che Licht und Farbe zarter zu behandeln glaubten,
wenn ſie ſich dieſe Phaͤnomene als Schwingungen er-
klaͤrten. Und es iſt bekannt, daß dieſe Vorſtellungs-
art durch das ganze achtzehnte Jahrhundert Gunſt
gefunden.

Nun haben wir ſchon geaͤußert, daß nach unſerer
Ueberzeugung damit gar nichts gewonnen iſt. Denn
wenn uns der Ton deswegen begreiflicher zu ſeyn
ſcheint als die Farbe, weil wir mit Augen ſehen und
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[494/0528] vor dieſer Schwaͤrze, oder dieſem Nichts ſtehet, ſo giebt es eine blaue Farbe; daher der Himmel des Ta- ges blau ſiehet, weil die Luft wegen der Duͤnſte weiß iſt. Dahero je reiner die Luft iſt, je hochblauer iſt der Himmel, als wo ein Gewitter voruͤber iſt, und die Luft von denen vielen Duͤnſten gereinigt; je duͤnſti- ger aber die Luft iſt, deſto weißlicher iſt dieſe blaue Farbe. Und daher ſcheinen auch die Waͤlder von weitem blau, weil vor dem ſchwarzen ſchattenvollen Gruͤn die weiße und illuminirte Luft ſich befindet. Mallebranche. Wir haben ſchon oben S. 324. den Entwurf ſei- ner Lehre eingeruͤckt. Er gehoͤrt unter diejenigen, wel- che Licht und Farbe zarter zu behandeln glaubten, wenn ſie ſich dieſe Phaͤnomene als Schwingungen er- klaͤrten. Und es iſt bekannt, daß dieſe Vorſtellungs- art durch das ganze achtzehnte Jahrhundert Gunſt gefunden. Nun haben wir ſchon geaͤußert, daß nach unſerer Ueberzeugung damit gar nichts gewonnen iſt. Denn wenn uns der Ton deswegen begreiflicher zu ſeyn ſcheint als die Farbe, weil wir mit Augen ſehen und mit Haͤnden greifen koͤnnen, daß eine mechaniſche Impulſion Schwingungen an den Koͤrpern und in der

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/528>, abgerufen am 22.11.2024.