sich mit dem Gefühl (tactus) und Geschmack, nur fällt es da nicht so in die Augen. Das Medium für den Schall, ist die Luft, für das Riechende, etwas das keinen Nahmen hat. Denn so wie das Durchsich- tige für die Farbe eine gemeinschaftliche Affection des Wassers und der Luft ist; so giebt es eine andre ge- meinschaftliche Affection in beyden, dem Wasser und der Luft, für das Riechende. Es scheinen nehmlich die im Wasser lebenden Thiere eine Empfindung des Geruchs zu haben; aber der Mensch, und andre Land- thiere, welche athmen, können nicht riechen ohne zu athmen.
Licht ist des Durchsichtigen Farbe per accidens: denn die Gegenwart eines Feuerartigen im Durchsich- tigen ist Licht, die Abwesenheit, Finsterniß.
Was wir durchsichtig nennen, ist weder der Luft, noch dem Wasser, noch einem der Elemente besonders eigen; sondern es ist eine gemeinsame Natur und Ei- genschaft, die abgesondert zwar nicht ist, aber in ihnen befindet sie sich und wohnt einem Körper mehr, andern weniger bey. So wie nun der Körper ein Aeußerstes haben muß, so auch das Durchsichtige. Die Natur des Lichts ist nun in einem unbegränzten (aoristo) Durchsichtigen. Daß nun das Durch- sichtige in den Körpern ein Aeußerstes haben muß, ist allen einleuchtend; daß dieses aber die Farbe sey, ist aus den Vordersätzen ergeblich. Denn die Farbe ist entweder in der Gränze, oder selbst die Gränze.
II. 2
ſich mit dem Gefuͤhl (tactus) und Geſchmack, nur faͤllt es da nicht ſo in die Augen. Das Medium fuͤr den Schall, iſt die Luft, fuͤr das Riechende, etwas das keinen Nahmen hat. Denn ſo wie das Durchſich- tige fuͤr die Farbe eine gemeinſchaftliche Affection des Waſſers und der Luft iſt; ſo giebt es eine andre ge- meinſchaftliche Affection in beyden, dem Waſſer und der Luft, fuͤr das Riechende. Es ſcheinen nehmlich die im Waſſer lebenden Thiere eine Empfindung des Geruchs zu haben; aber der Menſch, und andre Land- thiere, welche athmen, koͤnnen nicht riechen ohne zu athmen.
Licht iſt des Durchſichtigen Farbe per accidens: denn die Gegenwart eines Feuerartigen im Durchſich- tigen iſt Licht, die Abweſenheit, Finſterniß.
Was wir durchſichtig nennen, iſt weder der Luft, noch dem Waſſer, noch einem der Elemente beſonders eigen; ſondern es iſt eine gemeinſame Natur und Ei- genſchaft, die abgeſondert zwar nicht iſt, aber in ihnen befindet ſie ſich und wohnt einem Koͤrper mehr, andern weniger bey. So wie nun der Koͤrper ein Aeußerſtes haben muß, ſo auch das Durchſichtige. Die Natur des Lichts iſt nun in einem unbegraͤnzten (ἀορίστῳ) Durchſichtigen. Daß nun das Durch- ſichtige in den Koͤrpern ein Aeußerſtes haben muß, iſt allen einleuchtend; daß dieſes aber die Farbe ſey, iſt aus den Vorderſaͤtzen ergeblich. Denn die Farbe iſt entweder in der Graͤnze, oder ſelbſt die Graͤnze.
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ſich mit dem Gefuͤhl (tactus) und Geſchmack, nur
faͤllt es da nicht ſo in die Augen. Das Medium fuͤr
den Schall, iſt die Luft, fuͤr das Riechende, etwas
das keinen Nahmen hat. Denn ſo wie das Durchſich-
tige fuͤr die Farbe eine gemeinſchaftliche Affection des
Waſſers und der Luft iſt; ſo giebt es eine andre ge-
meinſchaftliche Affection in beyden, dem Waſſer und
der Luft, fuͤr das Riechende. Es ſcheinen nehmlich
die im Waſſer lebenden Thiere eine Empfindung des
Geruchs zu haben; aber der Menſch, und andre Land-
thiere, welche athmen, koͤnnen nicht riechen ohne zu
athmen.
Licht iſt des Durchſichtigen Farbe per accidens:
denn die Gegenwart eines Feuerartigen im Durchſich-
tigen iſt Licht, die Abweſenheit, Finſterniß.
Was wir durchſichtig nennen, iſt weder der Luft,
noch dem Waſſer, noch einem der Elemente beſonders
eigen; ſondern es iſt eine gemeinſame Natur und Ei-
genſchaft, die abgeſondert zwar nicht iſt, aber in
ihnen befindet ſie ſich und wohnt einem Koͤrper mehr,
andern weniger bey. So wie nun der Koͤrper ein
Aeußerſtes haben muß, ſo auch das Durchſichtige.
Die Natur des Lichts iſt nun in einem unbegraͤnzten
(ἀορίστῳ) Durchſichtigen. Daß nun das Durch-
ſichtige in den Koͤrpern ein Aeußerſtes haben muß,
iſt allen einleuchtend; daß dieſes aber die Farbe ſey,
iſt aus den Vorderſaͤtzen ergeblich. Denn die Farbe
iſt entweder in der Graͤnze, oder ſelbſt die Graͤnze.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/51>, abgerufen am 24.11.2024.
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