auf schwarzem Grunde versteckt, augenfällig werden muß.
Aber sein Widersacher, Richter in Leipzig, erhascht sogleich das Argument gegen ihn, daß die unter diesen Bedingungen erscheinenden Farben sich vom weißen Grunde herschreiben: eine ungeschickte Behauptung, in welcher sich jedoch die Newtonianer bis auf den heuti- gen Tag selig fühlen, und welche auch mit großer Selbstgenügsamkeit gegen uns vorgebracht worden.
Seiner übrigen Controvers folgen wir nicht: sie trifft an vielen Orten mit der unsrigen überein, und wir gedenken nicht zu läugnen, daß wir ihm manches schuldig geworden, so wie noch künftig manches aus ihm zu nutzen seyn wird.
In seinem didactischen Theile findet man ihn wei- ter vorgerückt als alle Vorgänger, und er hätte wohl verdient, daß wir ihn mit Theophrast und Boyle unter den wenigen genannt, welche sich bemüht, die Masse der zu ihrer Zeit bekannten Phänomene zu ordnen.
In seiner Eintheilung der Farben sind alle die Bedingungen beachtet, unter welchen uns die Farbe erscheint. Er hat unsere physiologischen Farben unter der Rubrik der phantastischen oder imaginären, unsere physischen unter der doppelten der variirenden, welche wir die dioptrischen der ersten Classe, und der apparen- ten, welche wir die dioptrischen der zweyten Classe ge-
auf ſchwarzem Grunde verſteckt, augenfaͤllig werden muß.
Aber ſein Widerſacher, Richter in Leipzig, erhaſcht ſogleich das Argument gegen ihn, daß die unter dieſen Bedingungen erſcheinenden Farben ſich vom weißen Grunde herſchreiben: eine ungeſchickte Behauptung, in welcher ſich jedoch die Newtonianer bis auf den heuti- gen Tag ſelig fuͤhlen, und welche auch mit großer Selbſtgenuͤgſamkeit gegen uns vorgebracht worden.
Seiner uͤbrigen Controvers folgen wir nicht: ſie trifft an vielen Orten mit der unſrigen uͤberein, und wir gedenken nicht zu laͤugnen, daß wir ihm manches ſchuldig geworden, ſo wie noch kuͤnftig manches aus ihm zu nutzen ſeyn wird.
In ſeinem didactiſchen Theile findet man ihn wei- ter vorgeruͤckt als alle Vorgaͤnger, und er haͤtte wohl verdient, daß wir ihn mit Theophraſt und Boyle unter den wenigen genannt, welche ſich bemuͤht, die Maſſe der zu ihrer Zeit bekannten Phaͤnomene zu ordnen.
In ſeiner Eintheilung der Farben ſind alle die Bedingungen beachtet, unter welchen uns die Farbe erſcheint. Er hat unſere phyſiologiſchen Farben unter der Rubrik der phantaſtiſchen oder imaginaͤren, unſere phyſiſchen unter der doppelten der variirenden, welche wir die dioptriſchen der erſten Claſſe, und der apparen- ten, welche wir die dioptriſchen der zweyten Claſſe ge-
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auf ſchwarzem Grunde verſteckt, augenfaͤllig werden
muß.
Aber ſein Widerſacher, Richter in Leipzig, erhaſcht
ſogleich das Argument gegen ihn, daß die unter dieſen
Bedingungen erſcheinenden Farben ſich vom weißen
Grunde herſchreiben: eine ungeſchickte Behauptung, in
welcher ſich jedoch die Newtonianer bis auf den heuti-
gen Tag ſelig fuͤhlen, und welche auch mit großer
Selbſtgenuͤgſamkeit gegen uns vorgebracht worden.
Seiner uͤbrigen Controvers folgen wir nicht: ſie
trifft an vielen Orten mit der unſrigen uͤberein, und
wir gedenken nicht zu laͤugnen, daß wir ihm manches
ſchuldig geworden, ſo wie noch kuͤnftig manches aus
ihm zu nutzen ſeyn wird.
In ſeinem didactiſchen Theile findet man ihn wei-
ter vorgeruͤckt als alle Vorgaͤnger, und er haͤtte wohl
verdient, daß wir ihn mit Theophraſt und Boyle unter
den wenigen genannt, welche ſich bemuͤht, die Maſſe
der zu ihrer Zeit bekannten Phaͤnomene zu ordnen.
In ſeiner Eintheilung der Farben ſind alle die
Bedingungen beachtet, unter welchen uns die Farbe
erſcheint. Er hat unſere phyſiologiſchen Farben unter
der Rubrik der phantaſtiſchen oder imaginaͤren, unſere
phyſiſchen unter der doppelten der variirenden, welche
wir die dioptriſchen der erſten Claſſe, und der apparen-
ten, welche wir die dioptriſchen der zweyten Claſſe ge-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/500>, abgerufen am 22.11.2024.
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