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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Die Wirkung der Refraction war von den älte-
sten Zeiten her bekannt, ihre Verhältnisse aber, bis in
das sechzehnte Jahrhundert, nur empirisch bestimmt.
Snellius entdeckte das Gesetzliche daran und bediente
sich zur Demonstration des subjectiven Versuchs, den
wir mit dem Namen der Hebung bezeichnet haben.
Andere wählten zur Demonstration den objectiven Ver-
such, und das Kunstwort Brechung wird davon aus-
schließlich gebraucht. Das Verhältniß der beyden Sinus
des Einfalls- und Brechungswinkels wird rein aus-
gesprochen, als wenn kein Nebenumstand dabey zu
beobachten wäre.

Die Refraction kam hauptsächlich bey Gelegen-
heit der Fernröhre zur Sprache. Diejenigen die sich
mit Teleskopen und deren Verbesserung beschäftigten,
mußten bemerken, daß durch Objectivgläser die aus
Kugelschnitten bestehen, das Bild nicht rein in einen
Punct zu bringen ist, sondern daß eine gewisse Ab-
weichung statt findet, wodurch das Bild undeutlich wird.
Man schrieb sie der Form der Gläser zu und schlug
deswegen hyperbolische und elliptische Oberflächen vor.

So oft von Refraction, besonders seit Antonius
de Dominis, die Rede ist, wird auch immer der Far-
benerscheinung gedacht. Man ruft bey dieser Gele-
genheit die Prismen zu Hülfe, welche das Phänomen
so eminent darstellen. Als Newton sich mit Verbesse-
rung der Teleskope beschäftigte und, um jene Aberra-
tion von Seiten der Form wegzuschaffen, hyperbolische

Die Wirkung der Refraction war von den aͤlte-
ſten Zeiten her bekannt, ihre Verhaͤltniſſe aber, bis in
das ſechzehnte Jahrhundert, nur empiriſch beſtimmt.
Snellius entdeckte das Geſetzliche daran und bediente
ſich zur Demonſtration des ſubjectiven Verſuchs, den
wir mit dem Namen der Hebung bezeichnet haben.
Andere waͤhlten zur Demonſtration den objectiven Ver-
ſuch, und das Kunſtwort Brechung wird davon aus-
ſchließlich gebraucht. Das Verhaͤltniß der beyden Sinus
des Einfalls- und Brechungswinkels wird rein aus-
geſprochen, als wenn kein Nebenumſtand dabey zu
beobachten waͤre.

Die Refraction kam hauptſaͤchlich bey Gelegen-
heit der Fernroͤhre zur Sprache. Diejenigen die ſich
mit Teleſkopen und deren Verbeſſerung beſchaͤftigten,
mußten bemerken, daß durch Objectivglaͤſer die aus
Kugelſchnitten beſtehen, das Bild nicht rein in einen
Punct zu bringen iſt, ſondern daß eine gewiſſe Ab-
weichung ſtatt findet, wodurch das Bild undeutlich wird.
Man ſchrieb ſie der Form der Glaͤſer zu und ſchlug
deswegen hyperboliſche und elliptiſche Oberflaͤchen vor.

So oft von Refraction, beſonders ſeit Antonius
de Dominis, die Rede iſt, wird auch immer der Far-
benerſcheinung gedacht. Man ruft bey dieſer Gele-
genheit die Prismen zu Huͤlfe, welche das Phaͤnomen
ſo eminent darſtellen. Als Newton ſich mit Verbeſſe-
rung der Teleſkope beſchaͤftigte und, um jene Aberra-
tion von Seiten der Form wegzuſchaffen, hyperboliſche

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[406/0440] Die Wirkung der Refraction war von den aͤlte- ſten Zeiten her bekannt, ihre Verhaͤltniſſe aber, bis in das ſechzehnte Jahrhundert, nur empiriſch beſtimmt. Snellius entdeckte das Geſetzliche daran und bediente ſich zur Demonſtration des ſubjectiven Verſuchs, den wir mit dem Namen der Hebung bezeichnet haben. Andere waͤhlten zur Demonſtration den objectiven Ver- ſuch, und das Kunſtwort Brechung wird davon aus- ſchließlich gebraucht. Das Verhaͤltniß der beyden Sinus des Einfalls- und Brechungswinkels wird rein aus- geſprochen, als wenn kein Nebenumſtand dabey zu beobachten waͤre. Die Refraction kam hauptſaͤchlich bey Gelegen- heit der Fernroͤhre zur Sprache. Diejenigen die ſich mit Teleſkopen und deren Verbeſſerung beſchaͤftigten, mußten bemerken, daß durch Objectivglaͤſer die aus Kugelſchnitten beſtehen, das Bild nicht rein in einen Punct zu bringen iſt, ſondern daß eine gewiſſe Ab- weichung ſtatt findet, wodurch das Bild undeutlich wird. Man ſchrieb ſie der Form der Glaͤſer zu und ſchlug deswegen hyperboliſche und elliptiſche Oberflaͤchen vor. So oft von Refraction, beſonders ſeit Antonius de Dominis, die Rede iſt, wird auch immer der Far- benerſcheinung gedacht. Man ruft bey dieſer Gele- genheit die Prismen zu Huͤlfe, welche das Phaͤnomen ſo eminent darſtellen. Als Newton ſich mit Verbeſſe- rung der Teleſkope beſchaͤftigte und, um jene Aberra- tion von Seiten der Form wegzuſchaffen, hyperboliſche

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/440>, abgerufen am 22.11.2024.