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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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anzudeuten schien, sicher wäre; so sprach man den
Vorsatz bestimmt aus, die Phänomene so wie die Ex-
perimente an und für sich zu beobachten, neben ein-
ander, ohne irgend eine künstlich scheinende Verbin-
dung, einzeln stehen zu lassen.

Die Unmöglichkeit diesen Vorsatz auszuführen,
sahen so kluge Leute nicht ein. Man bemerkte nicht, daß
sehr bald nach den Ursachen gefragt wurde, daß der
König selbst, indem er der Societät natürliche Körper
verehrte, nach dem Wie der Wirkungen sich erkundigte.
Man konnte nicht vermelden, sich so gut und schlimm
als es gehen wollte, einige Rechenschaft zu geben; und
nun entstanden partielle Hypothesen, die mechanische
und machinistische Vorstellungsart gewann die Ober-
hand, und man glaubte noch immer, wenn man ein
Gefolgertes ausgesprochen hatte, daß man den Gegen-
stand, die Erscheinung ausspreche.

Indem man aber mit Furcht und Abneigung sich
gegen jede theoretische Behandlung erklärte, so behielt
man ein großes Zutrauen zu der Mathematik, deren
methodische Sicherheit in Behandlung körperlicher Dinge
ihr, selbst in den Augen der größten Zweifler, eine
gewisse Realität zu geben schien. Man konnte nicht
läugnen daß sie, besonders auf technische Probleme an-
gewendet, vorzüglich nützlich war, und so ließ man sie
mit Ehrfurcht gelten, ohne zu ahnden daß, indem man
sich vor dem Ideellen zu hüthen suchte, man das
Ideelste zugelassen und beybehalten hatte.

anzudeuten ſchien, ſicher waͤre; ſo ſprach man den
Vorſatz beſtimmt aus, die Phaͤnomene ſo wie die Ex-
perimente an und fuͤr ſich zu beobachten, neben ein-
ander, ohne irgend eine kuͤnſtlich ſcheinende Verbin-
dung, einzeln ſtehen zu laſſen.

Die Unmoͤglichkeit dieſen Vorſatz auszufuͤhren,
ſahen ſo kluge Leute nicht ein. Man bemerkte nicht, daß
ſehr bald nach den Urſachen gefragt wurde, daß der
Koͤnig ſelbſt, indem er der Societaͤt natuͤrliche Koͤrper
verehrte, nach dem Wie der Wirkungen ſich erkundigte.
Man konnte nicht vermelden, ſich ſo gut und ſchlimm
als es gehen wollte, einige Rechenſchaft zu geben; und
nun entſtanden partielle Hypotheſen, die mechaniſche
und machiniſtiſche Vorſtellungsart gewann die Ober-
hand, und man glaubte noch immer, wenn man ein
Gefolgertes ausgeſprochen hatte, daß man den Gegen-
ſtand, die Erſcheinung ausſpreche.

Indem man aber mit Furcht und Abneigung ſich
gegen jede theoretiſche Behandlung erklaͤrte, ſo behielt
man ein großes Zutrauen zu der Mathematik, deren
methodiſche Sicherheit in Behandlung koͤrperlicher Dinge
ihr, ſelbſt in den Augen der groͤßten Zweifler, eine
gewiſſe Realitaͤt zu geben ſchien. Man konnte nicht
laͤugnen daß ſie, beſonders auf techniſche Probleme an-
gewendet, vorzuͤglich nuͤtzlich war, und ſo ließ man ſie
mit Ehrfurcht gelten, ohne zu ahnden daß, indem man
ſich vor dem Ideellen zu huͤthen ſuchte, man das
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[392/0426] anzudeuten ſchien, ſicher waͤre; ſo ſprach man den Vorſatz beſtimmt aus, die Phaͤnomene ſo wie die Ex- perimente an und fuͤr ſich zu beobachten, neben ein- ander, ohne irgend eine kuͤnſtlich ſcheinende Verbin- dung, einzeln ſtehen zu laſſen. Die Unmoͤglichkeit dieſen Vorſatz auszufuͤhren, ſahen ſo kluge Leute nicht ein. Man bemerkte nicht, daß ſehr bald nach den Urſachen gefragt wurde, daß der Koͤnig ſelbſt, indem er der Societaͤt natuͤrliche Koͤrper verehrte, nach dem Wie der Wirkungen ſich erkundigte. Man konnte nicht vermelden, ſich ſo gut und ſchlimm als es gehen wollte, einige Rechenſchaft zu geben; und nun entſtanden partielle Hypotheſen, die mechaniſche und machiniſtiſche Vorſtellungsart gewann die Ober- hand, und man glaubte noch immer, wenn man ein Gefolgertes ausgeſprochen hatte, daß man den Gegen- ſtand, die Erſcheinung ausſpreche. Indem man aber mit Furcht und Abneigung ſich gegen jede theoretiſche Behandlung erklaͤrte, ſo behielt man ein großes Zutrauen zu der Mathematik, deren methodiſche Sicherheit in Behandlung koͤrperlicher Dinge ihr, ſelbſt in den Augen der groͤßten Zweifler, eine gewiſſe Realitaͤt zu geben ſchien. Man konnte nicht laͤugnen daß ſie, beſonders auf techniſche Probleme an- gewendet, vorzuͤglich nuͤtzlich war, und ſo ließ man ſie mit Ehrfurcht gelten, ohne zu ahnden daß, indem man ſich vor dem Ideellen zu huͤthen ſuchte, man das Ideelſte zugelaſſen und beybehalten hatte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/426>, abgerufen am 22.11.2024.