ler eben sowohl Ruhe als eine harmonische Mannigfal- tigkeit in seine Werke gebracht hat. Er mag daher wohl unter die guten Coloristen gerechnet werden und ist unstreitig der beste seines Zeitalters. Er lebte wahr- scheinlich von 1350 bis 1427.
Massolino da Panicale, anfänglich ein plastischer Künstler, bereicherte die Malerey, wozu er überging, durch bessere Beobachtung von Licht und Schatten, wo- durch ihm denn zuerst die richtige Darstellung verkürz- ter. Glieder gelang. Und da er sich überhaupt größerer Schattenpartieen bediente, als vorher gebräuchlich war; so erhielt auch sein Colorit im Ganzen dadurch mehr Sättigung. Nach wenigen Ueberbleibseln seiner Werke zu urtheilen, scheinen die beleuchteten Stellen jedoch etwas zu weiß gerathen; die beschatteten hingegen fal- len zu sehr ins Rothbraune.
Bey Massolino's Schüler, dem vortrefflichen Ma- saccio, sind die Fleischtinten etwas wahrhafter, und er wußte das Colorit mit Meisterschaft zur Bedeutung, zur Verstärkung des Ausdrucks seiner Figuren anzu- wenden. Helle und dunkle Massen sind sehr wohl un- terschieden, ruhig und breit gehalten, wodurch die Far- be überhaupt angenehmer wird. Die Schatten aber fallen auch bey ihm zu sehr ins Rothbraune.
Mit lieblichen zarten Tinten malte der selige Fra Giovanni da Fiesole seine frommen Bilder. Wir finden in denselben zuerst eine allgemeine, im Ganzen
ler eben ſowohl Ruhe als eine harmoniſche Mannigfal- tigkeit in ſeine Werke gebracht hat. Er mag daher wohl unter die guten Coloriſten gerechnet werden und iſt unſtreitig der beſte ſeines Zeitalters. Er lebte wahr- ſcheinlich von 1350 bis 1427.
Maſſolino da Panicale, anfaͤnglich ein plaſtiſcher Kuͤnſtler, bereicherte die Malerey, wozu er uͤberging, durch beſſere Beobachtung von Licht und Schatten, wo- durch ihm denn zuerſt die richtige Darſtellung verkuͤrz- ter. Glieder gelang. Und da er ſich uͤberhaupt groͤßerer Schattenpartieen bediente, als vorher gebraͤuchlich war; ſo erhielt auch ſein Colorit im Ganzen dadurch mehr Saͤttigung. Nach wenigen Ueberbleibſeln ſeiner Werke zu urtheilen, ſcheinen die beleuchteten Stellen jedoch etwas zu weiß gerathen; die beſchatteten hingegen fal- len zu ſehr ins Rothbraune.
Bey Maſſolino’s Schuͤler, dem vortrefflichen Ma- ſaccio, ſind die Fleiſchtinten etwas wahrhafter, und er wußte das Colorit mit Meiſterſchaft zur Bedeutung, zur Verſtaͤrkung des Ausdrucks ſeiner Figuren anzu- wenden. Helle und dunkle Maſſen ſind ſehr wohl un- terſchieden, ruhig und breit gehalten, wodurch die Far- be uͤberhaupt angenehmer wird. Die Schatten aber fallen auch bey ihm zu ſehr ins Rothbraune.
Mit lieblichen zarten Tinten malte der ſelige Fra Giovanni da Fieſole ſeine frommen Bilder. Wir finden in denſelben zuerſt eine allgemeine, im Ganzen
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ler eben ſowohl Ruhe als eine harmoniſche Mannigfal-
tigkeit in ſeine Werke gebracht hat. Er mag daher
wohl unter die guten Coloriſten gerechnet werden und
iſt unſtreitig der beſte ſeines Zeitalters. Er lebte wahr-
ſcheinlich von 1350 bis 1427.
Maſſolino da Panicale, anfaͤnglich ein plaſtiſcher
Kuͤnſtler, bereicherte die Malerey, wozu er uͤberging,
durch beſſere Beobachtung von Licht und Schatten, wo-
durch ihm denn zuerſt die richtige Darſtellung verkuͤrz-
ter. Glieder gelang. Und da er ſich uͤberhaupt groͤßerer
Schattenpartieen bediente, als vorher gebraͤuchlich war;
ſo erhielt auch ſein Colorit im Ganzen dadurch mehr
Saͤttigung. Nach wenigen Ueberbleibſeln ſeiner Werke
zu urtheilen, ſcheinen die beleuchteten Stellen jedoch
etwas zu weiß gerathen; die beſchatteten hingegen fal-
len zu ſehr ins Rothbraune.
Bey Maſſolino’s Schuͤler, dem vortrefflichen Ma-
ſaccio, ſind die Fleiſchtinten etwas wahrhafter, und er
wußte das Colorit mit Meiſterſchaft zur Bedeutung,
zur Verſtaͤrkung des Ausdrucks ſeiner Figuren anzu-
wenden. Helle und dunkle Maſſen ſind ſehr wohl un-
terſchieden, ruhig und breit gehalten, wodurch die Far-
be uͤberhaupt angenehmer wird. Die Schatten aber
fallen auch bey ihm zu ſehr ins Rothbraune.
Mit lieblichen zarten Tinten malte der ſelige
Fra Giovanni da Fieſole ſeine frommen Bilder. Wir
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/386>, abgerufen am 24.11.2024.
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