lichts und seines Schattens mit dem Kerzenlicht und dessen Schatten hervorzubringen: denn ich vermuthete, daß auch hier sich Farben zeigen müßten; welches mir vollkommen gelang. Denn das Tageslicht und der Schatten des Kerzenlichtes bildeten Blau durch ihr Zusammentreffen; der Schatten des Tageslichts und das Licht der Kerze brachten das Gelbe hervor, und wenn man sodann das Gelbe mit dem Blauen ver- band, welches sehr leicht war, so entstand ein sehr deutlich Grün."
"Diese drey letzten Versuche beweisen ganz klar: einmal, daß die Farben in nichts anderem bestehen als in Mischung von Licht und Schatten, und ihre Verschiedenheit in der Verschiedenheit der Mischungen die man machen kann; sodann, daß das Violette von den andern ursprünglichen Farben sich dadurch unter- scheidet, daß es mehr Schatten hat als die übrigen; das Gelbe, daß es weniger Schatten hat als die andern; das Grüne, daß es mehr Schatten hat als das Gelbe und weniger als alle übrigen; das Rothe, daß es mehr Schatten enthält als Gelb und Grün, weniger als Blau und Violett; das Blaue zuletzt, daß es weniger Schatten enthält als das Violette und mehr als die übrigen ursprünglichen Farben. Und weil in diesen drey Versuchen dieselbigen Farben immer entsprangen durch dieselbigen Mischungen von Schatten und Licht, und da sie sogleich verschwanden, wenn jene beyden aufgehoben waren; so sehen wir
lichts und ſeines Schattens mit dem Kerzenlicht und deſſen Schatten hervorzubringen: denn ich vermuthete, daß auch hier ſich Farben zeigen muͤßten; welches mir vollkommen gelang. Denn das Tageslicht und der Schatten des Kerzenlichtes bildeten Blau durch ihr Zuſammentreffen; der Schatten des Tageslichts und das Licht der Kerze brachten das Gelbe hervor, und wenn man ſodann das Gelbe mit dem Blauen ver- band, welches ſehr leicht war, ſo entſtand ein ſehr deutlich Gruͤn.“
„Dieſe drey letzten Verſuche beweiſen ganz klar: einmal, daß die Farben in nichts anderem beſtehen als in Miſchung von Licht und Schatten, und ihre Verſchiedenheit in der Verſchiedenheit der Miſchungen die man machen kann; ſodann, daß das Violette von den andern urſpruͤnglichen Farben ſich dadurch unter- ſcheidet, daß es mehr Schatten hat als die uͤbrigen; das Gelbe, daß es weniger Schatten hat als die andern; das Gruͤne, daß es mehr Schatten hat als das Gelbe und weniger als alle uͤbrigen; das Rothe, daß es mehr Schatten enthaͤlt als Gelb und Gruͤn, weniger als Blau und Violett; das Blaue zuletzt, daß es weniger Schatten enthaͤlt als das Violette und mehr als die uͤbrigen urſpruͤnglichen Farben. Und weil in dieſen drey Verſuchen dieſelbigen Farben immer entſprangen durch dieſelbigen Miſchungen von Schatten und Licht, und da ſie ſogleich verſchwanden, wenn jene beyden aufgehoben waren; ſo ſehen wir
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lichts und ſeines Schattens mit dem Kerzenlicht und
deſſen Schatten hervorzubringen: denn ich vermuthete,
daß auch hier ſich Farben zeigen muͤßten; welches mir
vollkommen gelang. Denn das Tageslicht und der
Schatten des Kerzenlichtes bildeten Blau durch ihr
Zuſammentreffen; der Schatten des Tageslichts und
das Licht der Kerze brachten das Gelbe hervor, und
wenn man ſodann das Gelbe mit dem Blauen ver-
band, welches ſehr leicht war, ſo entſtand ein ſehr
deutlich Gruͤn.“
„Dieſe drey letzten Verſuche beweiſen ganz klar:
einmal, daß die Farben in nichts anderem beſtehen
als in Miſchung von Licht und Schatten, und ihre
Verſchiedenheit in der Verſchiedenheit der Miſchungen
die man machen kann; ſodann, daß das Violette von
den andern urſpruͤnglichen Farben ſich dadurch unter-
ſcheidet, daß es mehr Schatten hat als die uͤbrigen;
das Gelbe, daß es weniger Schatten hat als die
andern; das Gruͤne, daß es mehr Schatten hat als
das Gelbe und weniger als alle uͤbrigen; das Rothe,
daß es mehr Schatten enthaͤlt als Gelb und Gruͤn,
weniger als Blau und Violett; das Blaue zuletzt,
daß es weniger Schatten enthaͤlt als das Violette
und mehr als die uͤbrigen urſpruͤnglichen Farben. Und
weil in dieſen drey Verſuchen dieſelbigen Farben
immer entſprangen durch dieſelbigen Miſchungen von
Schatten und Licht, und da ſie ſogleich verſchwanden,
wenn jene beyden aufgehoben waren; ſo ſehen wir
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/372>, abgerufen am 24.11.2024.
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