der Gleichheit entfernten Verhältnissen entspringen müs- sen; z. B. wenn ein gefärbter Körper vier Schwin- gungen des Drucks auf die zarte Materie hervorbringt, indessen ein andrer nur zwey; so wird er an Far- be davon verschiedener seyn, als wenn er nur drey Schwingungen machte."
"Man hat in der Musik die Verhältnisse der Zah- len bestimmt, welche die verschiedenen Töne hervorbrin- gen; aber es läßt sich nicht hoffen, daß dieses auch bey den Farben gelinge."
"Die Erfahrung belehrt uns, daß, wenn man ei- nige Zeit die Sonne oder einen andern sehr erleuchte- ten Gegenstand angesehen und darauf das Auge schließt, man erst Weiß sieht, sodann Geld, Roth, Blau, end- lich Schwarz; daher man denn folgerecht schließen kann, vorausgesetzt, daß diese Ordnung immer dieselbige sey, daß die Farben welche zuerst erscheinen, durch schnellere Schwingungen hervorgebracht werden, weil die Bewe- gung welche auf der Netzhaut durch den leuchtenden Gegenstand gewirkt wird, sich immerfort vermindert."
"Bey dieser Gelegenheit erzählte Herr Homberg der Academie eine Erfahrung, die er über die Ordnung und die Folge der verschiedenen Farben gemacht hatte. Er nahm nämlich ein Glas, das von beyden Seiten rauh und deshalb wenig durchsichtig war. Er brachte es vor eine Oeffnung und ließ es vom Lichte beschei- nen. Indem er nun durch das Glas hindurch sah,
der Gleichheit entfernten Verhaͤltniſſen entſpringen muͤſ- ſen; z. B. wenn ein gefaͤrbter Koͤrper vier Schwin- gungen des Drucks auf die zarte Materie hervorbringt, indeſſen ein andrer nur zwey; ſo wird er an Far- be davon verſchiedener ſeyn, als wenn er nur drey Schwingungen machte.“
„Man hat in der Muſik die Verhaͤltniſſe der Zah- len beſtimmt, welche die verſchiedenen Toͤne hervorbrin- gen; aber es laͤßt ſich nicht hoffen, daß dieſes auch bey den Farben gelinge.“
„Die Erfahrung belehrt uns, daß, wenn man ei- nige Zeit die Sonne oder einen andern ſehr erleuchte- ten Gegenſtand angeſehen und darauf das Auge ſchließt, man erſt Weiß ſieht, ſodann Geld, Roth, Blau, end- lich Schwarz; daher man denn folgerecht ſchließen kann, vorausgeſetzt, daß dieſe Ordnung immer dieſelbige ſey, daß die Farben welche zuerſt erſcheinen, durch ſchnellere Schwingungen hervorgebracht werden, weil die Bewe- gung welche auf der Netzhaut durch den leuchtenden Gegenſtand gewirkt wird, ſich immerfort vermindert.“
„Bey dieſer Gelegenheit erzaͤhlte Herr Homberg der Academie eine Erfahrung, die er uͤber die Ordnung und die Folge der verſchiedenen Farben gemacht hatte. Er nahm naͤmlich ein Glas, das von beyden Seiten rauh und deshalb wenig durchſichtig war. Er brachte es vor eine Oeffnung und ließ es vom Lichte beſchei- nen. Indem er nun durch das Glas hindurch ſah,
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der Gleichheit entfernten Verhaͤltniſſen entſpringen muͤſ-
ſen; z. B. wenn ein gefaͤrbter Koͤrper vier Schwin-
gungen des Drucks auf die zarte Materie hervorbringt,
indeſſen ein andrer nur zwey; ſo wird er an Far-
be davon verſchiedener ſeyn, als wenn er nur drey
Schwingungen machte.“
„Man hat in der Muſik die Verhaͤltniſſe der Zah-
len beſtimmt, welche die verſchiedenen Toͤne hervorbrin-
gen; aber es laͤßt ſich nicht hoffen, daß dieſes auch
bey den Farben gelinge.“
„Die Erfahrung belehrt uns, daß, wenn man ei-
nige Zeit die Sonne oder einen andern ſehr erleuchte-
ten Gegenſtand angeſehen und darauf das Auge ſchließt,
man erſt Weiß ſieht, ſodann Geld, Roth, Blau, end-
lich Schwarz; daher man denn folgerecht ſchließen kann,
vorausgeſetzt, daß dieſe Ordnung immer dieſelbige ſey,
daß die Farben welche zuerſt erſcheinen, durch ſchnellere
Schwingungen hervorgebracht werden, weil die Bewe-
gung welche auf der Netzhaut durch den leuchtenden
Gegenſtand gewirkt wird, ſich immerfort vermindert.“
„Bey dieſer Gelegenheit erzaͤhlte Herr Homberg der
Academie eine Erfahrung, die er uͤber die Ordnung
und die Folge der verſchiedenen Farben gemacht hatte.
Er nahm naͤmlich ein Glas, das von beyden Seiten
rauh und deshalb wenig durchſichtig war. Er brachte
es vor eine Oeffnung und ließ es vom Lichte beſchei-
nen. Indem er nun durch das Glas hindurch ſah,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/360>, abgerufen am 23.11.2024.
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