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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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scheint es, man müsse die Brechung auch zu Hülfe
nehmen, um einige Farben zu erklären, zu deren Ent-
stehung sie beyträgt, weil sie auf eine oder die andre
Weise den Schatten mit dem gebrochenen Lichte ver-
bindet, oder auf eine Art, die wir gegenwärtig nicht
abhandeln können. Scheint es nun einigen wahr-
scheinlich, daß die Poren der Luft und anderer durch-
sichtiger Körper durchaus mit solchen Kügelchen ange-
füllt sind, wie die Cartesianer voraussetzen, und daß
zugleich die verschiedenen Bewegungsarten dieser Kü-
gelchen in vielen Fällen von Bedeutung sind, um das
verschiedene Gewahrwerden der Farbe bey uns zu be-
wirken; so läßt sich auch ohne diese Kügelchen, die
man nicht so leicht beweisen kann, vorauszusetzen,
überhaupt mit Wahrscheinlichkeit annehmen: das Auge
könne mannigfaltig afficirt werden nicht allein von
ganzen Lichtstrahlen die darauf fallen, und zwar als
solchen, sondern auch von der Ordnung derselben und
dem Grade der Geschwindigkeit, und daß ich mich
kurz fasse, nach der Art und Weise, wie die Theilchen
woraus die einzelnen Strahlen bestehen zu dem Sinn
gelangen, dergestalt daß, welche Figur auch jene klei-
nen Körper haben aus denen die Lichtstrahlen bestehen,
sie nicht allein durch ihre Geschwindigkeit oder Lang-
samkeit der Entwicklung oder Rotation im Fort-
schreiten, sondern noch mehr durch ihre absolute
Schnelligkeit, ihre directe oder wogende Bewegung
und andre Zufälligkeiten, welche ihren Stoß aufs
Auge begleiten können, geschickt sind, verschiedenartige
Eindrücke zu erregen."

ſcheint es, man muͤſſe die Brechung auch zu Huͤlfe
nehmen, um einige Farben zu erklaͤren, zu deren Ent-
ſtehung ſie beytraͤgt, weil ſie auf eine oder die andre
Weiſe den Schatten mit dem gebrochenen Lichte ver-
bindet, oder auf eine Art, die wir gegenwaͤrtig nicht
abhandeln koͤnnen. Scheint es nun einigen wahr-
ſcheinlich, daß die Poren der Luft und anderer durch-
ſichtiger Koͤrper durchaus mit ſolchen Kuͤgelchen ange-
fuͤllt ſind, wie die Carteſianer vorausſetzen, und daß
zugleich die verſchiedenen Bewegungsarten dieſer Kuͤ-
gelchen in vielen Faͤllen von Bedeutung ſind, um das
verſchiedene Gewahrwerden der Farbe bey uns zu be-
wirken; ſo laͤßt ſich auch ohne dieſe Kuͤgelchen, die
man nicht ſo leicht beweiſen kann, vorauszuſetzen,
uͤberhaupt mit Wahrſcheinlichkeit annehmen: das Auge
koͤnne mannigfaltig afficirt werden nicht allein von
ganzen Lichtſtrahlen die darauf fallen, und zwar als
ſolchen, ſondern auch von der Ordnung derſelben und
dem Grade der Geſchwindigkeit, und daß ich mich
kurz faſſe, nach der Art und Weiſe, wie die Theilchen
woraus die einzelnen Strahlen beſtehen zu dem Sinn
gelangen, dergeſtalt daß, welche Figur auch jene klei-
nen Koͤrper haben aus denen die Lichtſtrahlen beſtehen,
ſie nicht allein durch ihre Geſchwindigkeit oder Lang-
ſamkeit der Entwicklung oder Rotation im Fort-
ſchreiten, ſondern noch mehr durch ihre abſolute
Schnelligkeit, ihre directe oder wogende Bewegung
und andre Zufaͤlligkeiten, welche ihren Stoß aufs
Auge begleiten koͤnnen, geſchickt ſind, verſchiedenartige
Eindruͤcke zu erregen.“

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[317/0351] ſcheint es, man muͤſſe die Brechung auch zu Huͤlfe nehmen, um einige Farben zu erklaͤren, zu deren Ent- ſtehung ſie beytraͤgt, weil ſie auf eine oder die andre Weiſe den Schatten mit dem gebrochenen Lichte ver- bindet, oder auf eine Art, die wir gegenwaͤrtig nicht abhandeln koͤnnen. Scheint es nun einigen wahr- ſcheinlich, daß die Poren der Luft und anderer durch- ſichtiger Koͤrper durchaus mit ſolchen Kuͤgelchen ange- fuͤllt ſind, wie die Carteſianer vorausſetzen, und daß zugleich die verſchiedenen Bewegungsarten dieſer Kuͤ- gelchen in vielen Faͤllen von Bedeutung ſind, um das verſchiedene Gewahrwerden der Farbe bey uns zu be- wirken; ſo laͤßt ſich auch ohne dieſe Kuͤgelchen, die man nicht ſo leicht beweiſen kann, vorauszuſetzen, uͤberhaupt mit Wahrſcheinlichkeit annehmen: das Auge koͤnne mannigfaltig afficirt werden nicht allein von ganzen Lichtſtrahlen die darauf fallen, und zwar als ſolchen, ſondern auch von der Ordnung derſelben und dem Grade der Geſchwindigkeit, und daß ich mich kurz faſſe, nach der Art und Weiſe, wie die Theilchen woraus die einzelnen Strahlen beſtehen zu dem Sinn gelangen, dergeſtalt daß, welche Figur auch jene klei- nen Koͤrper haben aus denen die Lichtſtrahlen beſtehen, ſie nicht allein durch ihre Geſchwindigkeit oder Lang- ſamkeit der Entwicklung oder Rotation im Fort- ſchreiten, ſondern noch mehr durch ihre abſolute Schnelligkeit, ihre directe oder wogende Bewegung und andre Zufaͤlligkeiten, welche ihren Stoß aufs Auge begleiten koͤnnen, geſchickt ſind, verſchiedenartige Eindruͤcke zu erregen.“

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/351>, abgerufen am 25.11.2024.