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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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II. "Außer diesen sechs vornehmsten Hypothe-
sen kann es noch andre geben, mein Pyrophilus, die,
obschon weniger bekannt, doch eben so gut als diese
deine Betrachtung verdienen. Erwarte aber nicht,
daß ich sie gegenwärtig umständlich durcharbeite, da
du den Zweck dieser Blätter und die mir vorgesetzte
Kürze kennest. Deswegen will ich nur noch einiges
im Allgemeinen bemerken, was sich auf den Tractat,
den du in Händen hast, besonders bezieht."

III. "Und zwar gesteh' ich dir zuerst, daß ich,
obgleich die Anhänger der gedachten verschiedenen
Hypothesen durch eine jede besonders und ausschließlich
die Farben erklären und hiezu weiter keine Beyhülfe
annehmen wollen, was mich betrifft, zweifle: ob
irgend eine dieser Hypothesen, wenn man alle andern
ausschließt, der Sache genug thue. Denn mir ist
wahrscheinlich, daß man das Weiße und Schwarze
durch die bloße Reflexion, ohne Refraction anzunehmen,
erklären könne, wie ich es in nachstehender Abhand-
lung vom Ursprunge des Schwarzen und Weißen zu
leisten gesucht habe. Da ich aber nicht habe finden
können, daß durch irgend eine Mischung des Weißen
und wahrhaft Schwarzen (denn hier ist nicht von
einem Blauschwarz die Rede, welches Viele für das
ächte halten) daß, sage ich, je daraus Blau, Gelb,
Roth, geschweige denn die übrigen Farben könn-
ten erzeugt werden; da wir ferner sehen, daß diese
Farben durchs Prisma und andre durchsichtige Körper
hervorzubringen sind mit Beyhülfe der Brechung: so

II. „Außer dieſen ſechs vornehmſten Hypothe-
ſen kann es noch andre geben, mein Pyrophilus, die,
obſchon weniger bekannt, doch eben ſo gut als dieſe
deine Betrachtung verdienen. Erwarte aber nicht,
daß ich ſie gegenwaͤrtig umſtaͤndlich durcharbeite, da
du den Zweck dieſer Blaͤtter und die mir vorgeſetzte
Kuͤrze kenneſt. Deswegen will ich nur noch einiges
im Allgemeinen bemerken, was ſich auf den Tractat,
den du in Haͤnden haſt, beſonders bezieht.“

III. „Und zwar geſteh’ ich dir zuerſt, daß ich,
obgleich die Anhaͤnger der gedachten verſchiedenen
Hypotheſen durch eine jede beſonders und ausſchließlich
die Farben erklaͤren und hiezu weiter keine Beyhuͤlfe
annehmen wollen, was mich betrifft, zweifle: ob
irgend eine dieſer Hypotheſen, wenn man alle andern
ausſchließt, der Sache genug thue. Denn mir iſt
wahrſcheinlich, daß man das Weiße und Schwarze
durch die bloße Reflexion, ohne Refraction anzunehmen,
erklaͤren koͤnne, wie ich es in nachſtehender Abhand-
lung vom Urſprunge des Schwarzen und Weißen zu
leiſten geſucht habe. Da ich aber nicht habe finden
koͤnnen, daß durch irgend eine Miſchung des Weißen
und wahrhaft Schwarzen (denn hier iſt nicht von
einem Blauſchwarz die Rede, welches Viele fuͤr das
aͤchte halten) daß, ſage ich, je daraus Blau, Gelb,
Roth, geſchweige denn die uͤbrigen Farben koͤnn-
ten erzeugt werden; da wir ferner ſehen, daß dieſe
Farben durchs Prisma und andre durchſichtige Koͤrper
hervorzubringen ſind mit Beyhuͤlfe der Brechung: ſo

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[316/0350] II. „Außer dieſen ſechs vornehmſten Hypothe- ſen kann es noch andre geben, mein Pyrophilus, die, obſchon weniger bekannt, doch eben ſo gut als dieſe deine Betrachtung verdienen. Erwarte aber nicht, daß ich ſie gegenwaͤrtig umſtaͤndlich durcharbeite, da du den Zweck dieſer Blaͤtter und die mir vorgeſetzte Kuͤrze kenneſt. Deswegen will ich nur noch einiges im Allgemeinen bemerken, was ſich auf den Tractat, den du in Haͤnden haſt, beſonders bezieht.“ III. „Und zwar geſteh’ ich dir zuerſt, daß ich, obgleich die Anhaͤnger der gedachten verſchiedenen Hypotheſen durch eine jede beſonders und ausſchließlich die Farben erklaͤren und hiezu weiter keine Beyhuͤlfe annehmen wollen, was mich betrifft, zweifle: ob irgend eine dieſer Hypotheſen, wenn man alle andern ausſchließt, der Sache genug thue. Denn mir iſt wahrſcheinlich, daß man das Weiße und Schwarze durch die bloße Reflexion, ohne Refraction anzunehmen, erklaͤren koͤnne, wie ich es in nachſtehender Abhand- lung vom Urſprunge des Schwarzen und Weißen zu leiſten geſucht habe. Da ich aber nicht habe finden koͤnnen, daß durch irgend eine Miſchung des Weißen und wahrhaft Schwarzen (denn hier iſt nicht von einem Blauſchwarz die Rede, welches Viele fuͤr das aͤchte halten) daß, ſage ich, je daraus Blau, Gelb, Roth, geſchweige denn die uͤbrigen Farben koͤnn- ten erzeugt werden; da wir ferner ſehen, daß dieſe Farben durchs Prisma und andre durchſichtige Koͤrper hervorzubringen ſind mit Beyhuͤlfe der Brechung: ſo

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/350>, abgerufen am 22.11.2024.