Die andere Betrachtung, die wir hier nicht über- gehen dürfen, ist die, daß man die Gesetze der Bre- chung entdeckt, und der Farben, die doch eigentlich durch sie manifestirt werden sollen, gar nicht gedenkt; wel- ches ganz in der Ordnung war. Denn in parallelen Mitteln, welche man zu jenem Grundversuch der Bre- chung und Hebung benutzt, läßt sich die Farben-Er- scheinung zwar an der Gränze von Licht und Schatten deutlich sehen, aber so unbedeutend, daß man über sie recht wohl hinausgehen konnte. Wir wiederholen hier was wir schon früher urgirt: (E. 195. 196.) Gäbe es eine wirklich verschiedene Brechbarkeit, so müßte sie sich bey Brechung jeder Art manifestiren. Aber diese Lehre ist, wie wir bereits gesehen haben und noch künf- tig sehen werden, nicht auf einen einfachen natürli- chen Fall, sondern auf einen künstlich zusammengesetz- ten gebaut, und sie kann daher nur demjenigen wahr vorkommen, der sich in einer solchen gemachten Ver- wirrung gefallen mag; jedem hingegen muß sie falsch erscheinen, der aus dem Freyen kommt oder ins Freye gelangt.
Was sonst von Snellins und seiner Lehre zu sa- gen ist, findet sich in allen Schriften, die von dieser Materie handeln.
Vorstehendes war geschrieben, als uns zufälliger Weise bekannt wurde, Isaac Vossius, von welchem
Die andere Betrachtung, die wir hier nicht uͤber- gehen duͤrfen, iſt die, daß man die Geſetze der Bre- chung entdeckt, und der Farben, die doch eigentlich durch ſie manifeſtirt werden ſollen, gar nicht gedenkt; wel- ches ganz in der Ordnung war. Denn in parallelen Mitteln, welche man zu jenem Grundverſuch der Bre- chung und Hebung benutzt, laͤßt ſich die Farben-Er- ſcheinung zwar an der Graͤnze von Licht und Schatten deutlich ſehen, aber ſo unbedeutend, daß man uͤber ſie recht wohl hinausgehen konnte. Wir wiederholen hier was wir ſchon fruͤher urgirt: (E. 195. 196.) Gaͤbe es eine wirklich verſchiedene Brechbarkeit, ſo muͤßte ſie ſich bey Brechung jeder Art manifeſtiren. Aber dieſe Lehre iſt, wie wir bereits geſehen haben und noch kuͤnf- tig ſehen werden, nicht auf einen einfachen natuͤrli- chen Fall, ſondern auf einen kuͤnſtlich zuſammengeſetz- ten gebaut, und ſie kann daher nur demjenigen wahr vorkommen, der ſich in einer ſolchen gemachten Ver- wirrung gefallen mag; jedem hingegen muß ſie falſch erſcheinen, der aus dem Freyen kommt oder ins Freye gelangt.
Was ſonſt von Snellins und ſeiner Lehre zu ſa- gen iſt, findet ſich in allen Schriften, die von dieſer Materie handeln.
Vorſtehendes war geſchrieben, als uns zufaͤlliger Weiſe bekannt wurde, Iſaac Voſſius, von welchem
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Die andere Betrachtung, die wir hier nicht uͤber-
gehen duͤrfen, iſt die, daß man die Geſetze der Bre-
chung entdeckt, und der Farben, die doch eigentlich durch
ſie manifeſtirt werden ſollen, gar nicht gedenkt; wel-
ches ganz in der Ordnung war. Denn in parallelen
Mitteln, welche man zu jenem Grundverſuch der Bre-
chung und Hebung benutzt, laͤßt ſich die Farben-Er-
ſcheinung zwar an der Graͤnze von Licht und Schatten
deutlich ſehen, aber ſo unbedeutend, daß man uͤber ſie
recht wohl hinausgehen konnte. Wir wiederholen hier
was wir ſchon fruͤher urgirt: (E. 195. 196.) Gaͤbe
es eine wirklich verſchiedene Brechbarkeit, ſo muͤßte
ſie ſich bey Brechung jeder Art manifeſtiren. Aber dieſe
Lehre iſt, wie wir bereits geſehen haben und noch kuͤnf-
tig ſehen werden, nicht auf einen einfachen natuͤrli-
chen Fall, ſondern auf einen kuͤnſtlich zuſammengeſetz-
ten gebaut, und ſie kann daher nur demjenigen wahr
vorkommen, der ſich in einer ſolchen gemachten Ver-
wirrung gefallen mag; jedem hingegen muß ſie falſch
erſcheinen, der aus dem Freyen kommt oder ins Freye
gelangt.
Was ſonſt von Snellins und ſeiner Lehre zu ſa-
gen iſt, findet ſich in allen Schriften, die von dieſer
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Vorſtehendes war geſchrieben, als uns zufaͤlliger
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/288>, abgerufen am 21.11.2024.
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